geistliche Impulse

www.pius-kirchgessner.de

Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Öffnet die Türen dem Erlöser!

(4. Adventssonntag - Lesejahr B)

 

EVANGELIUM

Lk 1, 26-38

Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

26Im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott in eine Stadt in Galiläa namens Nazaret

27zu einer Jungfrau gesandt. Sie war mit einem Mann namens Josef verlobt, der aus dem Haus David stammte. Der Name der Jungfrau war Maria.

28Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.

29Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe.

30Da sagte der Engel zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria; denn du hast bei Gott Gnade gefunden.

31Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben.

32Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben.

33Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben.

34Maria sagte zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?

35Der Engel antwortete ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden.

36Auch Elisabet, deine Verwandte, hat noch in ihrem Alter einen Sohn empfangen; obwohl sie als unfruchtbar galt, ist sie jetzt schon im sechsten Monat.

37Denn für Gott ist nichts unmöglich.

38Da sagte Maria: Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel.

 

In dem Marienlied „Wunderschönprächtige“ heißt es in einer Strophe: „Selige Pforte warst du dem Worte, als es vom Throne der ewigen Macht Gnade und Rettung den Menschen gebracht.“

Maria: selige Pforte, Maria Tür, durch die Gott in diese Welt kommt.

 

Vom Engel hört Maria die Botschaft, dass sie Mutter werden soll.

Diese Ankündigung kommt total überraschend. Das wirft ihre ganze Lebensplanung über den Haufen. Maria erschrickt.

Außerdem, sie ein junges Mädchen, unverheiratet, soll ein Kind bekommen. Das allein ist schon eine Zumutung. Heute ist das nichts Besonderes – damals war es eine Katastrophe.

 

Und dann sagt der Engel weiter: „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten heißen!“ Maria ist berufen „Gottes Sohn“, also Gott selbst zur Welt zu bringen. Eine umwerfende Botschaft!

 

Maria reagiert ganz menschlich. Sie sinnt nach, sie überlegt, was das zu bedeuten hat. Und sie weiß nicht, wie das gehen soll.

Sie fragt: „Wie soll das geschehen?“

Der Engel antwortet mit dem Hinweis auf ihre Verwandte Elisabeth, die auch noch trotz ihres hohen Alters und obwohl sie als unfruchtbar galt, ein Kind empfangen hat. Dann sagt der Engel das entscheidende Wort: „Für Gott ist nichts unmöglich!“

 

Da antwortet Maria: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Sie willigt ein. Sie sagt JA. Sie stellt sich Gott zur Verfügung.

„Mir geschehe nach deinem Wort.“

 

Maria ist offen und bereit, für das, was Gott mit ihr vorhat.

Mit ihrem Ja-Wort ermöglicht sie das Kommen Gottes in unsere Welt.

 

Maria, „selige Pforte dem Worte, als es vom Throne der ewigen Macht Gnade und Rettung den Menschen gebracht:“

 

Gott will uns erlösen, aber nicht ohne uns und erst recht nicht gegen uns, sondern nur mit uns.

Der Mensch kann das Klopfen Gottes allerdings überhören.

Er kann bewusst weghören. Er kann sich dem Werben Gottes verschließen. Er kann sich verweigern. Er kann sich abwenden von Gott.

 

Ganz anders Maria. Sie überhört das Klopfen Gottes nicht.

Sie hört hin. Sie horcht. Sie gehorcht. Sie lässt sich ein. Sie willigt ein. Sie sagt ja. Sie sagt es völlig frei und ungezwungen.

 

Gott gebraucht nicht die Brechstange. Er setzt nicht die Pistole auf die Brust. Aber er klopft an, er ruft, er wirbt.

Maria hört das Klopfen. Sie sagt „Ja“.

Ihre Antwort: „Mir geschehe nach deinem Wort!“

 

Dieses „Ja“ ist nicht leichtfertig dahingesagt.

Es hat Tragweite. Es hat Gewicht.

Das sehen wir im Blick auf die Konsequenzen im Leben Mariens.

Das sehen wir im Blick auf die Prüfungen und Leiden, die Schmerzen und Dunkelheiten, die auf Maria zukommen.

 

Von all den Sorgen um ihren Sohn, all den Konflikten, all den Schmerzen ahnt und weiß Maria zum Zeitpunkt der Verkündigung noch nichts, noch nicht einmal von der Herbergsuche, der Geburt im Stall, der Flucht nach Ägypten, geschweige denn vom angstvollen Suchen nach dem Zwölfjährigen oder gar vom Kreuzweg ihres Sohnes und seinem schmachvollen Ende.

 

Im Augenblick der Verkündigung unterschreibt Maria gleichsam einen Blankoscheck. Sie setzt alles auf eine Karte, auf die Karte Gottes. Sie wagt den Sprung ins Vertrauen. Sie verlässt sich ganz auf Gott. Sie glaubt und vertraut, vorbehaltlos, uneingeschränkt.

 

An Maria können wir ablesen, was Glaube wirklich bedeutet.

Sie hat keine Möglichkeit, die so unerhörte Botschaft des Engels zu prüfen. Auch den Hinweis auf Elisabeth und das Wunderbare, das Gott an ihrer Verwandten getan hat, kann sie zum Zeitpunkt der Verkündigung nicht nachprüfen.

Dennoch sagt sie „Ja“. Und sie öffnet damit Gott die Tür, die Tür, die der stolze Mensch beim Sündenfall zugeschlagen hat und die er bis heute immer wieder zuschlägt.

 

Der Mensch verschließt die Tür, wo er sich absolut setzt, wo er sich wie der Herr-Gott aufspielt, wo er sein will wie Gott.

Der Mensch verschließt die Tür, wo er in seiner Selbstherrlichkeit nur sich selbst kennt und in seiner Hybris nur die eigenen Maßstäbe und Ziele gelten lässt.

Der Mensch verschließt die Tür, wo er sagt: „Hör mir auf mit Gott!

Ich pfeif auf sein Wort. Wozu Gott? Ich brauch doch keinen Gott!“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Von der Herbergsuche ist im Evangelium nur in einem Nebensatz die Rede. Aber das gläubige Volk hat es intuitiv erkannt und eindrucksvoll ins Bild gebracht: Gottes Anklopfen bei jedem von uns. – Damals Herzenshärte, Egoismus, Rücksichtslosigkeit, verschlossene Türen, verschlossene Herzen. Und heute?

 

Öffnen wir die Türen dem Erlöser! Lassen wir IHN ein mit seiner Gnade, mit seinem Licht, mit seiner Freude, mit seinem Frieden!

Lassen wir ihn ein in unser Herz, in unser Leben!

 

Treuer Immanuel, wird auch in mir nun geboren…! Wohne in mir, mache mich eins nun mit dir, der mich zum Leben erkoren!“