geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Ton und Töpfer

Ein heiter-besinnliches Gebet für die Adventszeit

(1. Adventssonntag - Lesejahr B; Jes 63, 16b - 17.19b; 64, 3 - 7)

 

ERSTE LESUNG

Reiß doch den Himmel auf, und komm herab!

 

Lesung aus dem Buch Jesaja

16bDu, Herr, bist unser Vater, „Unser Erlöser von jeher“ wirst du genannt.

17Warum lässt du uns, Herr, von deinen Wegen abirren und machst unser Herz hart, so dass wir dich nicht mehr fürchten? Kehre zurück um deiner Knechte willen, um der Stämme willen, die dein Eigentum sind.

19bReiß doch den Himmel auf, und komm herab, so dass die Berge zittern vor dir.

3Seit Menschengedenken hat man noch nie vernommen, kein Ohr hat gehört, kein Auge gesehen, dass es einen Gott gibt außer dir, der denen Gutes tut, die auf ihn hoffen.

4Ach, kämst du doch denen entgegen, die tun, was recht ist, und nachdenken über deine Wege. Ja, du warst zornig; denn wir haben gegen dich gesündigt, von Urzeit an sind wir treulos geworden.

5Wie unreine Menschen sind wir alle geworden, unsere ganze Gerechtigkeit ist wie ein schmutziges Kleid. Wie Laub sind wir alle verwelkt, unsere Schuld trägt uns fort wie der Wind.

6Niemand ruft deinen Namen an, keiner rafft sich dazu auf, festzuhalten an dir. Denn du hast dein Angesicht vor uns verborgen und hast uns der Gewalt unserer Schuld überlassen.

7Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton, und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände.

 

 

Auch heute besteht die erste Lesung (aus Jesaja) wieder nur aus einigen wenigen zusammengestückelten Versen. Sie sind einem wunderbaren, eindringlichen Text entnommen, einem Psalm – genauer einem Klagepsalm des Volkes. Es lohnt sich, ihn in seiner ganzen Länge zu lesen und zu betrachten. (63, 7 - 64, 11)

 

Die Lesung endet mit dem Satz: „Wir sind der Ton, und du bist der Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände“. – Ich finde: das ist ein wunderschönes Bild. Einen Pfarrer hat dieses Bild zu einem heiter-besinnlichen Gebet für die Adventszeit inspiriert. Ich finde seine Gedanken so köstlich und gut, so ansprechend und treffend, dass ich sie hier wortgetreu übernehme und an Sie, liebe Mitchristen, weitergebe.

 

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ – so möchte ich auch gerne beten, Gott. Dieses Bild gefällt mir. Der Gedanke, in deiner Hand zu sein, mich durch deine Berührungen zu entwickeln, ein Profil zu bekommen und zu einem wertvollen Gefäß zu werden – dieser Gedanke ist mir sogar außerordentlich sympathisch.

Allerdings meldet sich dabei ziemlich schnell ein kleines „Aber“ – und darüber möchte ich heute mit dir reden: Du musst zugeben, dass wir es in deiner Töpferwerkstatt nicht immer leicht haben.

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ aber findest du nicht auch, dass du es mit mir auf der Töpferscheibe manchmal etwas zu bunt treibst? Ich habe das Gefühl, mein Zeitenrad dreht sich immer schneller, mein Leben wird unruhiger und hektischer.

Du scheinst auch unbeeindruckt zusehen, wie ich beinahe durchdrehe bei all dem, was du auf unserer Welt geschehen lässt. Und warum greifst du nicht ein, wenn du siehst, dass ich aus dem Kreisen um mich selbst gar nicht mehr herausfinde?

          Ich hoffe, du verstehst mich, wenn ich mir für diese Adventszeit wünsche: Gönne mir doch eine kleine Pause! Lass mich zur Ruhe kommen und unterbrich wenigstens in diesen Wochen mein tägliches Rotieren.

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ aber merkst du nicht, wie heftig du an mir herummodellierst und wie hart du mich durchknetest; wie kräftig du Hand anlegst, mich presst und mir Druck machst? Ginge das nicht auch etwas sanfter und zarter?

          Mein nächster Adventswunsch heiß deshalb: Drück nicht so fest! Zeig mir vorsichtig und feinfühlig, wohin du mich führen und was du aus meinem Leben machen willst. Weck in mir durch die wunderschönen Visionen der Propheten die Sehnsucht nach einem besseren, intensiveren Leben! Öffne mir in den besinnlichen Stunden die Augen für die Konturen, die du meinem Leben geben willst!

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ – und so, wie es für die modellierten Gefäße eine Phase des Trocknens gibt, so mutest du auch mir „trockene“ und dürre Zeiten zu. Aber sind denn wirklich so viele „Durststrecken“ nötig, so viele Tage, an denen ich mich kraftlos fühle, wie gelähmt und ohne inneren Antrieb? Das Gefühl, auf dem Trockenen zu sitzen ist ja nicht gerade angenehm.

          Man sagt mir zwar immer wieder, dass diese trockenen „Wüstenzeiten“ für dein Arbeiten an mir notwendig sind; dass ich nur so erkenne, was wichtig und wertvoll für mich ist und wohin mein Weg gehen soll – aber ich möchte gerade in der Adventszeit auch das andere erleben: Dass aus Gestein und Wüstensand frische Wasser fließen; dass du einen Tau vom Himmel gießt, der mich erfrischt und aufblühen lässt; dass du mir einen Tropfen des Regen schickst, der aus Wüsten Gärten machst.

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ – deshalb gehört zu deinen Arbeitsgängen an mir nach dem Formen und Trocknen schließlich auch das Brennen. Ich weiß, dass dein Sohn gekommen ist, um Feuer auf die Erde zu werfen, und dass er sich sehnlich gewünscht hat, dass es schon brennt (Lk 12, 49).

Aber übertreibst du nicht ab und zu? Es gibt Zeiten, da heizt du mir gewaltig ein und bringst mich ins Schwitzen. Manchmal wendest du dabei auch einen ganz raffinierten Trick an: Du schickst mir Menschen, die mich „auf 180“ bringen und zur Weißglut treiben. Und warum verhinderst du nicht, dass ich mir manchmal den Mund oder die Finger verbrenne? Ich frage mich auch, ob du dir vorstellen kannst, wie mir zumute ist, wenn ich ausgebrannt und leer bin?

          Wenn ja, dann wirst du sicher meinen letzten, etwas ungewöhnlichen Adventswunsch verstehen: Gib mir „hitzefrei“ in diesen Wochen! Reduziere die Temperatur auf die angenehme Wärme der Kerzen und beschränke die „heißen Phasen“ in meinem Leben auf ein Minimum!

 

„Wir sind der Ton und du bist unser Töpfer“ – so möchte ich wirklich gerne beten, Gott. Ich habe nichts dagegen, dass du an mir arbeitest und mich „in Form“ bringst; dass du meinem Leben Gestalt und Kontur geben willst.

Und ich ahne auch, dass mir dabei Drehen und Drücken, Trocknen und Brennen nicht erspart bleiben – dass du mich in Schwung bringen und manchmal hart anfassen musst, dass du mich in die Wüste schickst und ich hin und wieder für dich durchs Feuer gehen muss.

Wahrscheinlich kann ich nur so dein Gefäß werden – offen wie eine Schale; bereit, deine Botschaft in mich aufzunehmen und an andere weiterzugeben.

          Aber – kannst du auch meine Wünsche verstehen? Und wirst du mir in dieser Adventszeit den einen oder anderen erfüllen?

 

(Die Gedanken und Formulierungen verdanke ich einer Predigtvorlage von Wolfgang Raible)