geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Euer Herz lasse sich nicht verwirren

(5. Ostersonntag - Lesejahr A - Joh 14, 1 - 12)

 

Ich bin beim ersten Satz des Evangeliums hängengeblieben:

„Euer Herz lasse sich nicht verwirren!“

Eine andere Übersetzung heißt: „Euer Herz sei ohne Angst!“

Es ist ein Wort Jesu aus den Abschiedsreden.

Jesus sprach dieses Wort zu seinen Jüngern am Abend vor seinem Leiden.

Die Kirche lässt uns dieses Wort heute am 5. Sonntag der Osterzeit hören.

 

Ist dieses Wort nicht hoffnungslos lebensfremd in einer Zeit der Unsicherheit und Angst?

Ist dieses Wort nicht unerhört riskant angesichts des Elends und des Leids in der Welt, dessen Zeugen wir täglich sind: Kriege und Mord, Terror und Gewalt, weinende Frauen, verängstigte Kinderaugen, hungernde Menschen?

Klingt in einer Welt, in der jeden Tag so viel Schreckliches geschieht, die Aufforderung Jesu nicht unglaublich

„Euer Herz sei ohne Angst“?

Keine Frage: das Lebensgefühl vieler Menschen heute ist von Unsicherheit, Orientierungslosigkeit und Angst geprägt.

 

Viele Menschen haben Angst und leben mit der Angst.

Die Angst kann verschiedene Formen annehmen:

Angst um den Arbeitsplatz

Angst um materielle Sicherheit

Angst vor Verantwortung

Angst vor der Zukunft

 

Noch viel existentieller ist die Angst

um die Kinder

um den Ehepartner

Angst vor Krankheit

Angst vor dem Alter und seinen Beschwerden

Angst vor Scheitern und Erfolglosigkeit

 

Es sind nicht die vielen kleinen Ängstlichkeiten des Alltags, um die es geht, da sind Grundängste, die wie ein dunkler Schatten unser Dasein begleiten.

 

Nicht wenige junge Menschen haben Angst, sich endgültig und ganz für einen Partner zu entscheiden, sich zu binden.

Sie haben Angst, neues Leben weiterzugeben.

Es ist die Angst, die sich in Fragen zeigt wie:

Lohnt es sich überhaupt zu leben?

Leben – wozu eigentlich?

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Gegen die Angst gibt es nur ein Mittel: Vertrauen!

Als Jesus einst in der vierten Nachtwache über den See zu den Jüngern kam und sie aufschrien vor Angst, da hat er ihnen zugerufen: „Habt Vertrauen! Ich bin es.“

 

Jetzt, in der Stunde des Abschieds, wo Ungewissheit und Angst das Herz der Jünger schwer macht, sagt Jesus zu ihnen:

„Euer Herz sei ohne Angst!“

Habt keine Angst! Lasst euch nicht verwirren!

Lasst euch nicht aus der Fassung bringen!

 

Dieses Wort, liebe Schwestern und Brüder, dürfen wir auch auf uns hin hören. Jesus spricht es auch zu uns.

„Euer Herz sei ohne Angst!“

Was weckt dieses Wort in Ihnen?

 

Ist das nicht ein Wort, das uns in vielen Situationen berühren und ermutigen kann?

Tut es nicht unendlich gut, solch ein Wort zu hören?

Ist das nicht ein Jesuswort, das trägt und das Halt gibt?

 

„Glaubt an Gott! Und glaubt an mich“, sagt Jesus den Seinen in der Stunde des Abschieds weiter.

„Glauben“ heißt aus dem Hebräischen übersetzt „sich fest machen“, gemeint ist: vertrauen.

Wir können nicht leben ohne Vertrauen.

Gut ist der dran, der von Kindesbeinen an Geborgenheit und Vertrauen geschenkt bekommen hat und der so selbst gelernt hat zu vertrauen.

 

Wir dürfen und können ein großes Vertrauen haben in Gott.

Er selbst ist uns in Jesus nahe gekommen, ein Gott-mit-uns.

Er ist unser Weggefährte geworden bis in die letzte Ausweglosigkeit unseres Lebens hinein.

In Jesus Christus ist Gott uns selbst nahe gekommen bis dahin, wo wir – menschlich gesehen – ganz allein sind und am meisten Angst haben: im Tod!

 

Das heutige Evangelium wird oft beim Seelenamt oder am Grab eines Menschen gesprochen.

Es ist ein Trostwort. Es gibt Hoffnung in aller Trauer und Verlassenheit.

Von Gott, dem Grund unseres Lebens, kann uns dauerhaft nichts trennen.

Die Zukunft, die er verheißt, ist größer und bedeutungsvoller als alles, was uns das Leben schwer machen, was uns zu schaffen machen und ängstigen kann.

 

Gott ist in aller Angst da als die Liebe, die größer ist als jede Not und selbst stärker als der Tod.

Wir können nie tiefer fallen als in Gottes offene Hände, in Gottes Treue, die uns hält und birgt.

In diesem Glauben ist uns Jesus vorausgegangen.

Auch ihm ist die Nacht der Verwirrung und Angst nicht erspart geblieben.

Sein Glaube, seine Bindung an den Vater wurde bis zum Zerreißen belastet.

Doch durch sein Vertrauen auf den Vater und durch seine Hingabe gewann er Leben und Halt.

 

Er, der Herr, ist bei uns alle Tage. Er gibt uns die Kraft zum Durchhalten auch in noch so schweren Zeiten. Er ist das Licht, das uns erleuchtet. Er ist die Kraft, die uns erfüllt. Er ist der Beistand, der uns nicht verlässt.

 

„Euer Herz sei ohne Angst!“

Die große Mystikerin und Kirchenlehrerin Theresia von Avila hat sich diese Botschaft sehr zu Herzen genommen.

Tagein, tagaus trug sie ein Blatt Papier bei sich, das man nach ihrem Tod bei ihr gefunden hat.

Darauf stand (altes Gl Nr. 5,2):

„Nichts soll dich ängstigen, nichts dich erschrecken. Alle geht vorüber. Gott allein bleibt derselbe. Alles erreicht der Geduldige. Und wer Gott hat, der hat alles. Gott allein genügt.“

(vgl. auch neues Gl. Nr. 8,5)

 

Und in einem Lied aus Taize heißt es:

„Meine Hoffnung und meine Freude, meine Stärke, mein Licht. Christus meine Zuversicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht, auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht!“

 

Wir können beten:

„Gott, du bist da, deine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen und ohne die wir nicht leben können. Rühr uns an mit deinem Geist! Hilf uns, dir ganz zu vertrauen und immer mehr ohne Angst zu leben. Amen“