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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Und das Wort ist Fleisch geworden

(1. Weihnachtstag)

 

EVANGELIUM                                                                                                   Mt 1, 18-24

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt

 

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes

 

1Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.

2Im Anfang war es bei Gott.

3Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

4In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.

5Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

6Es trat ein Mensch auf, der von Gott gesandt war; sein Name war Johannes.

7Er kam als Zeuge, um Zeugnis abzulegen für das Licht, damit alle durch ihn zum Glauben kommen.

8Er war nicht selbst das Licht, er sollte nur Zeugnis ablegen für das Licht.

9Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt.

10Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht.

11Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

12Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben,

13die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

14Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

15Johannes legte Zeugnis für ihn ab und rief: Dieser war es, über den ich gesagt habe: Er, der nach mir kommt, ist mir voraus, weil er vor mir war.

16Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade.

17Denn das Gesetz wurde durch Mose gegeben, die Gnade und die Wahrheit kamen durch Jesus Christus.

18Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht.

 

 

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“.

Das ist der zentrale Satz im heutigen Evangelium.

Wir sprechen ihn jeden Tag, wenn wir den „Engel des Herrn“ beten.

„Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“

 

Man spürt diesem Satz noch förmlich die Ergriffenheit und das selige Erstaunen des Evangelisten an und mit ihm der frühen Christen, die Ergriffenheit, die sie empfunden haben angesichts des unbegreiflichen Geheimnisses der Menschwerdung Gottes.

 

Und das Wort ist Fleisch geworden

Gott kommt in unsere Welt.

Er kommt herunter auf Augenhöhe.

Er begibt sich zu uns, auf unsere Ebene.

Er sucht unsere Nähe. Er wird einer von uns.

Er teilt unser menschliches Leben von der Geburt bis zum Tod.

Er durchlebt Höhen und Tiefen – wie wir.

Er kennt Freuden und Schmerzen – wie wir.

Er wird unser Bruder.

„In allem uns gleich“, sagt Paulus, und:

„Sein Leben war das eines Menschen“.

 

Er hat unter uns gewohnt.

In Jesus hat Gott unser Menschsein aber nicht nur flüchtig gestreift. Er hat es auch nicht zum Schein angenommen. Er hat sich nicht bloß die Maske eines Menschen vorgehängt oder ist wie ein Theaterspieler in das Kleid des Menschen geschlüpft.

 

In Jesus nimmt Gott wirklich unsere menschlichen Züge an; ein menschliches Antlitz; menschliche Augen, die Erbarmen ausstrahlen; eine menschliche Stimme, die tröstet und Vergebung verspricht; ein menschliches Herz, das verschwenderisch liebt, menschliche Hände, die segnen und heilen; menschliche Ohren, die den Hilfeschrei hören; menschliche Füße, die nicht zögern, auf Notleidende zuzugehen.

 

Gott wird Mensch, einer von uns.

Er schaut nicht bloß von oben herab oder von außen her auf unser zerrinnendes Leben. Er nimmt unser Schicksal auf sich. Er teilt unser menschliches Los.

 

Er hat unter uns gewohnt.

Er hat alles, was unser Menschsein ausmacht, angenommen, in jeder Hinsicht hat er es erfahren und kennengelernt. Und nicht nur die schönen und angenehmen Seiten des Menschseins. Gott hat auch nicht nur ein wenig am Leben des Menschen genippt.

Er ging ganz in unser Leben hinein, wo wir weinen und leiden, wo wir enttäuscht sind und einsam, verbittert und verzweifelt.

Er hat Leid, Schmerz, Angst und Not und sogar den Tod elementar erfahren.

Es gibt keine Nacht, die er nicht kennt, keine Verlassen­heit, die er nicht durchlitten hätte, keinen Abgrund, der ihm nicht vertraut wäre. Jesus hat wirklich unser Leben gelebt.

 

Warum tut das Gott?

Warum nimmt er unser Leben an? Warum entäußert er sich seiner Allmacht? Warum steigt er herab in die Tiefen unseres Menschseins? Warum kommt er aus der unendlichen Fülle und dem Reichtum Gottes und wird ein Menschenkind, arm, angewiesen, hilflos, wehrlos?

 

Es gibt nur eine Antwort: Aus Liebe!

„So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen Sohn für uns dahingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat.“

 

Aus Liebe geht Gott diesen Weg.

Aus Liebe zu uns Menschen wird er Mensch.

Unseretwegen!

 

Der Apostel Paulus bringt es treffend zum Ausdruck:

„Er, der reich war, wurde unseretwegen arm, um uns durch seine Armut reich zu machen.“

„Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er vom Himmel gekommen“, so beten wir im Credo der hl. Messe.

 

Und im „Te deum“ betet die Kirche:

„Du König der Herrlichkeit, Christus, du bist des Vaters allewiger Sohn. Du hast der Jungfrau Schoß nicht verschmäht, bist Mensch geworden, den Menschen zu befreien.“

Gott selbst ist in unsere Geschichte eingetreten und macht sie zu seiner Geschichte, ja er macht sie zur Heilsgeschichte.

 

Sagen Sie es selbst, liebe Schwestern und Brüder!

Kann Gott sich radikaler ausliefern und wehrloser machen als in einer Geburt?

Kann Gott radikaler an die Seite der Menschen treten, besonders auch der Kleinen, der Hilfsbedürftigen, der Ohnmächtigen und Schwachen wie wenn er ein Kind wird?

Kann Gott den Menschen mehr ernst nehmen und annehmen, wie wenn er selbst Mensch wird?

Gottes Liebe total, für dich und für mich, für jeden!

 

Wenn wir das Wort bedenken, den Satz: „er hat unter uns gewohnt“, dann meint das nicht nur die Menschwerdung, das Weihnachtsgeheimnis, das Ereignis von Bethlehem.

Darüber hinaus ist zu sagen, dass Jesus, als er beginnt, öffentlich zu lehren und zu predigen, auch und erst recht unter den Menschen wohnte, indem er mitten unter ihnen lebte. Jesus hat ja nicht als Eremit gelebt. Er war kein Einsiedler.

 

Als Jesus die ersten zwei Jünger, die ihm folgen fragt: „Was sucht ihr?“ da haben sie geantwortet: „Meister, wo wohnst du?“ Jesus sagte: „Kommt und seht!“ Und sie gingen mit ihm und sahen, wo er wohnte.

 

Jesus hat Menschen um sich gesammelt. Er hat Jünger berufen und die Apostel erwählt, dass sie mit ihm seien. Jesus ist zu den Menschen gegangen. Überall begegnete er Menschen.

 

Er hat unter ihnen gewohnt. Warum?

Auch wieder: für uns, um uns zu befreien, um unseres Heiles willen. Aus Liebe!

 

Warum stellt er, der Sündenlose, sich bei der Taufe im Jordan in die Reihe der Sünder? - Aus Liebe!

Solidarische Liebe!- „Ich bin gekommen, nicht die Gerechten zu berufen, sondern die Sünder.“

 

Warum wendet sich Jesus einem Zachäus zu, einer Maria von Magdala? Warum stellt er sich schützend vor die Ehebrecherin? Aus Liebe! Barmherzige Liebe!

„Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!“

„Ich bin gekommen, um zu suchen, was verloren war und zu heilen, was verwundet ist.“

„Freund der Zöllner und Sünder“, nennt man ihn.

Er isst mit ihnen. Er pflegt Gemeinschaft mit ihnen. 

 

Warum kniet er sich vor den Jüngern nieder und wäscht ihnen die Füße? - Aus Liebe!

Dienende Liebe! Liebende Hingabe!

„Ich bin gekommen, nicht um mir dienen zu lassen, sondern um zu dienen und mein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“

 

Warum geht Jesus den Weg des Leidens und stirbt am Kreuz? Warum? Wiederum aus Liebe!

„Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren, liebte er sie bis zur Vollendung.“

 

Gott liebt uns. Das ist die Kernbotschaft des Evangeliums. Und in Jesus Christus hat die Liebe Gottes sozusagen Hand und Fuß bekommen. Gottes Menschenfreundlichkeit und Güte ist in ihm sichtbar, greifbar, erfahrbar geworden.

 

Er hat unter uns gewohnt.

Er ist wirklich der Immanuel: Gott mit uns. Den Armen verkündet er die Botschaft vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Bedrückten Trost, den Trauernden Freude. Den Sündern bringt er die Vergebung des Vaters. Er hat ein Herz für die Ausgestoßenen und Verachteten. Den Bedrängten und Verzweifelten ist er ein Bruder.

In Jesus erleben die Menschen Gottes Güte und Allmacht, Gottes Heiligkeit und Barmherzigkeit leibhaftig gegenwär­tig.

Und die Angst vor Gott wandelt sich in Freude an Gott.

Verzweiflung und Resignation schmelzen dahin. Gottvertrauen blüht auf.

 

Er hat unter uns gewohnt.

Er selbst sagt: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote stehen auf.“

Mitleid packt ihn angesichts der vielen Menschen, die schutzlos, ohne Orientierung und verloren sind, „wie Schafe, die keinen Hirten haben“.

„Kommt alle zu mir“ so ruft er und lädt er ein, „alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch stärken.“- „Kommt und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und selbstlos von Herzen!“

 

Er hat unter uns gewohnt.

Mit seinem Leben hat er gezeigt, was Liebe ist.

Seine Leben und seine Botschaft lehren uns, dass Gott wie ein guter Vater ist und eine liebende Mutter.

 

Christus hat unter uns gewohnt.

Er wohnt aber und ist immer noch bei uns, auch nach der Auferstehung. Er hat nicht aufgehört, der „Immanuel“ zu sein, ein Gott mit uns, ein Freund der Menschen.

Auch die Zeit nach der Himmelfahrt Christi, die Zeit der Kirche, ist gekennzeichnet von der Gegenwart des Auferstandenen. „Seid gewiss“ sagt Jesus, „ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Welt.“

 

Immer und an jedem Ort ist er da.

Überall kann er gefunden werden.

In allen Dingen können wir ihm begegnen:

In der Schöpfung, im Bruder, in der Schwester, in seinem Wort, in der hl. Eucharistie.

 

Er ist unter uns gegenwärtig, wenn wir uns versammeln zur Feier seines Todes und seiner Auferstehung.

Er ist gegenwärtig und wohnt unter uns in jeder Gemeinschaft, die in seinem Sinne lebt, auch in einer kleinen Gemeinschaft wie der Familie, unter Freunden, wenn sich Menschen treffen zum Bibelteilen, in einem Gebetskreis, zu einer Wallfahrt.

 

Es genügen zwei oder drei, die vereint sind in seinem Namen.

Vor allem begegnet er uns in unserem Nächsten, im Armen und Verlassenen, im Kranken und Leidenden.

„Ich war hungrig, und ihr habt es mir getan!“ - “Was ihr einem der Geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

 Und zuletzt und zutiefst können und dürfen wir sagen:

„Gott ist uns näher als wir uns selber.“ „In ihm leben wir bewegen wir uns und sind wir.“

In einem Tagesgebet heißt es: „Gott, deine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen und ohne dir wir nicht leben können. Gib dass wir dir ganz vertrauen und immer mehr ohne Angst leben. Amen“