geistliche Impulse

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Predigt

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Taufe Jesu

(Predigt am Fest der Taufe Jesu - 07. Januar 2007)

 

Mit der Taufe im Jordan beginnt für Jesus sein öffentliches Auftreten. Und die ersten Worte, die zu ihm gesagt werden, sind Worte des Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn.“

 

Dieser Satz ist eine großartige Zusage und Bestätigung.

Feierlich wird bestätigt, dass Jesus ganz und unbedingt durch den Vater angenommen ist. - Diese unbedingte Annahme durch den Vater steht über dem Leben und Wirken Jesu. Es begleitet ihn und daraus lebt er.

Und dieses Bewusstsein, der geliebte Sohn des Vaters zu sein, ganz und unbedingt angenommen zu sein, dieses Bewusstsein ist Jesus ganz tief zu eigen. - Es geht tiefer als alles, was er sonst erlebt. Es geht tiefer als die Versuchungen in der Wüste, tiefer als die Ablehnung, die er erfährt, tiefer als das Unverständnis, auf das er stößt, tiefer als aller Hass, der ihm entgegenschlägt.

 

„Ich bin der geliebte Sohn. Ich bin ganz und unbedingt angenommen“, das geht bei Jesus so weit, dass ihn selbst die schreckliche Gottverlassenheit am Kreuz nicht in die Verzweiflung stürzt, sondern dass er die Kraft findet, auch seine Verlassenheit und Todesangst in die Hände des Vaters zu legen.

 

„Das ist mein geliebter Sohn“, dieser Satz macht das Lebensgefühl und das Selbstbewusstsein Jesu aus.

„Ich bin angenommen. Ich bin der geliebte Sohn des Vaters“, das wird ihm noch einmal deutlich zugesagt bei der Verklärung auf dem Berg Tabor. Aus dieser Erfahrung hat Jesus gelebt.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ist das nicht eines der wichtigsten Grundbedürfnisse, die wir Menschen haben? Bejaht, angenommen, geliebt sein?

Nichts macht einen so froh und so frei wie dieses Bewusstsein!

Wenn ich spüre: ich bin angenommen, dann geht es mir gut.

Ich spüre meine Kräfte. Mein Leben bekommt Schwung. Es wird mir so schnell nichts zu viel. Dann kann ich geben, was in mir ist. Ich kann lieben. - Wenn ich angenommen bin, ist alles gut.

 

Aber wehe dem, der spürt, dass er nicht angenommen ist!

Dann kann einer Titel haben so viel er will und eine noch so hohe Position, und ein Einkommen noch so groß. - Das hilft ihm alles nichts.

Wenn einer nicht angenommen ist, wird er verkrampft und hart.

Er zieht sich in sich selbst zurück. Man kann mit ihm nur noch amtlich oder offiziell etwas anfangen. Aber was ist das schon!

 

Von einem Kinderarzt las ich einmal folgende Begebenheit:

Es war bei der Untersuchung von Kindern vor der Einschulung. Um ihnen die Scheu zu nehmen empfing er jedes Kind mit dem freundlichen Satz: „Da kommt aber ein liebes Kind!“ - Die Kinder lächelten. Keines widersprach. Dann kam ein kleiner Bub, der schüttelte ganz ernst den Kopf: „Nein, ich bin kein liebes Kind!“ „Aber das sehe ich doch“, sagte der Arzt, „so wie du vor mir stehst, bist du ein liebes Kind!“ - „Nein!“ sagte der Bub. „Ich bin der böse Peter.“

Wie oft hatte er das zu hören bekommen, bis er es glaubte.

Er konnte noch nicht lesen und schreiben. Aber er konnte sich schon nicht mehr leiden.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Nun könnte jemand einwenden: Das war eben das ganz Besondere bei Jesus, das Unvergleichliche, dass er so angenommen war vom Vater. Das können wir auf uns nicht übertragen. Doch - das können wir!

Über jeden von uns hier und jetzt sagt Gott: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter!“

Sehen Sie: Der Kern unseres Glaubens besteht nicht in Leistungen, Geboten und Verboten, sondern darin, dass wir uns die Liebe Gottes gefallen lassen, dass wir uns davon anrühren und ergreifen lassen. - Und dass wir dann die Liebe, die von Gott zu uns kommt, weitergeben. Lieben als Antwort darauf, dass wir geliebt werden.

„Wir haben an die Liebe geglaubt... Gott ist die Liebe...!“

Das ist die Quintessenz, das Resümee, das der Evangelist Johannes aus der Erfahrung eines langen religiösen Lebens zieht.

Von der Kraft dieser Liebe habe ich von einem jungen Ehepaar etwas gehört, das mich tief gerührt und beschämt hat:

Die jungen Leute freuten sich auf ihr erstes Kind. Aber es kam behindert auf die Welt. „Wir waren zuerst sehr traurig“, sagten die Eltern. „Aber wir lieben unser Kind sehr, und wir geben es nicht wieder her. Es ist eine Liebe, die von Tag zu Tag wächst. Es liegt an uns, unserem Kind jede mögliche Hilfe zu geben. Seine Zukunft soll voll Zuversicht sein.“

Was für eine Kraft! So eine Liebe, die von Tag zu Tag wächst!

Sie haben ihr Kind angenommen. Und jeden Tag geben sie ihm das zu spüren.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

So angenommen sind wir alle. Zu jedem von uns sagt Gott:

„Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich meine Freude habe.“ Auch wenn du schon ein altes Kind bist und graue Haare hast, auch wenn du dich nicht viel um mich gekümmert hast, wenn du viele Fehler gemacht hast - und noch machen wirst, auch wenn du meinst, du seist gar nicht liebenswert und du dich selber nicht lieben kannst, - du bist mein geliebtes Kind. Ich gebe dich nicht wieder her.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der Vater weiß bei der Taufe Jesu: sie werden ihn kreuzigen...

Uns werden die Steine nicht aus dem Weg geräumt... und viele Fragen bleiben ohne Antwort. - Aber ganz tief, tiefer als unsere Ängste, tiefer als unsere Ungereimtheiten und Traurigkeiten - ist alles gut.

Wie viele Menschen möchten das von Herzen glauben, aber sie können es nicht. Schlimme Erfahrungen haben sie verschlossen und Enttäuschungen bitter gemacht.

Welche Wohltat, wenn sie das Ja des Seindürfens, das Alphabet des Angenommenseins, des Geliebtwerdens und Liebens an uns buchstabieren können!

„Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben!“

Gottes Liebe ruft unser Liebe!