geistliche Impulse

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Vortrag

von P. Pius Kirchgessner, OFMCap

 

Barmherzigkeit

 

Wenn ich das Wort „Barmherzigkeit“ höre, was fällt mir dann ein, woran denke ich, was kommt mir in den Sinn…? Welche Bilder kommen mir vor Augen…?

Was verbinde ich mit Barmherzigkeit…? Eher Schwäche und Weichheit oder Güte, Nachsicht, Mitgefühl?

Wieso ist der Begriff unbarmherzig viel geläufiger als das Wort barmherzig? – Was wäre Barmherzigkeit in der Familie, in der Schule, in der Politik, im Beruf, in der Freizeit oder bei der Bundeswehr…?

Erleben wir nicht oft das Gegenteil von Barmherzigkeit? Knallhartes Durchgreifen, Sich auf Biegen und Brechen behaupten und durchsetzen. Die ICH-AG ist angesagt, Anspruchsdenken, die eigenen Rechte einfordern. Wir unsere Gesellschaft nicht immer kälter, immer mitleidloser, immer gnadenloser? Barmherzigkeit hat heute kaum Konjunktur.

 

Im Wort Barmherzigkeit steckt das Wort Herz. Albert Einstein hat einmal gesagt: „Das Problem unserer Zeit ist das Herz.“

Unsere Zeit ist geprägt vom forschenden Denken, von der kalten berechnenden Vernunft. Es fehlt an Herz und Herzlichkeit.

Nicht das Herz, sondern die Ellenbogen sind Trumpf in unserer Gesellschaft. Grausam herzlos geht es da manchmal zu. Hass- und Gewaltnachrichten.

„Das Problem unserer Zeit ist das Herz.“

Das Herz verendet im Würgegriff von Profit, Prestige und Geran­gel um Positionen. Ich nenne nur das Stichwort „Mobbing“.

Zwischen Herrschsucht und Machtgier, im Konkurrenzkampf, im brutalen Druck von Mithaltenkönnen und Leistenmüssen, beim Immer-mehr-haben-Wollen und Nie-genug-kriegen-Können, bleibt das Herz auf der Strecke.

Kein Wunder, dass in einer Welt, die oft so herzlos erscheint, die Menschen nach nichts mehr fragen als nach Herzlichkeit und sich nach Menschen in ihrer Nähe sehnen, die ein Herz haben, das heißt  nach Liebe und Geduld, Verständnis und Güte.

 

Eine Geschichte von herzlichem Erbarmen, Mitgefühl und Gutes tun gibt es bei dem alemannischen Dichter J. P. Hebel.

Ein reisender Handwerksbursch bettelt an einer Stubentür in Pommern um zehn Pfennig. Er erblickt eine arme, kranke Frau, die ihm sagt, dass sie selber nichts habe. So geht der Bursche und kommt nach ein paar Stunden wieder zurück. Die Frau beteuert ihm, dass sie wirklich nichts habe und selbst auf die Barmherzigkeit anderer Leute angewiesen sei. Da tritt der junge Mann an den Tisch, legt reichlich Brot und Geld darauf, das er unterdessen gesammelt hat und sagt mit einem sanften Lächeln: „Das ist für euch arme, kranke Frau“, zieht die Stubentür zu und geht.

Barmherzig ist jemand, der sein Herz bei den Armen hat, für die Verwaisten, Einsamen, Unglücklichen, Kleinen und Schwachen, wer ihnen gegenüber Mitleid zeigt und gütig ist.

Das Beispiel der Barmherzigkeit und der helfenden guten Tat ist die Mantelteilung des Soldaten Martin einem Bettler gegenüber in  kalten Winternacht, des späteren Bischofs von Tour. Eine Tat, die unvergessen und lebendig blieb bis heute.

Aber es geht nicht nur um die milde Gabe für einen Bettler.

Barmherzigkeit macht Schluss mit dem berechnenden „Wie du mir, so ich dir“, dem abweisenden „Was geht mich das an?“ oder dem vorwurfsvollen „Selber schuld“.

 

Vor etwa 25 Jahren hat Papst Johannes Paul II. seine zweite Enzyklika dem Thema Barmherzigkeit gewidmet. Und wie oft hat er während seines Pontifikates, eine Zivilisation der Liebe und eine Kultur des Erbarmens eingefordert. Und gegen Ende seines Pontifikates führte er am Sonntag nach Ostern, am sogenannten Weißen Sonntag, den „Sonntag der Barmherzigkeit“ ein. Am Vorabend dieses Sonntages ist er auch gestorben.

In der genannten Enzyklika erinnert er daran, dass das Wort Barmherzigkeit, das in unserer Alltagssprache wenig vorkommt und sperrig klingt, in der Bibel eine bedeutende Rolle spielt.

Und auch der jetzige Papst kommt in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ ganz zentral auf die biblische Dimension von Liebe und Barmherzigkeit zu sprechen.

Benedikt XVI. sagt: „Barmherzigkeit ist der innere Kern der Botschaft des Evangeliums. Sie ist der Name Gottes selbst, das Gesicht, mit dem er sich im Alten Bund und dann vollkommen in Jesus Christus geoffenbart hat.“

 

Barmherzigkeit ist nicht nur eine der Haupttugenden und wichtigsten Pflichten des Christen, sondern in der Bibel – und an vielen Stellen schon im Alten Testament – wird Gott selbst barmherzig genannt.

Barmherzigkeit ist eine der herausragenden Eigenschaften Gottes. Papst Johannes Paul II. sagt sogar: „Das Wesen Gottes ist Barmherzigkeit.“ Gott hat nicht nur Liebe und Erbarmen. Gott ist Liebe und Erbarmen. Er ist der Barmherzige. Einige Beispiele und Zitate mögen das belegen:

 

In der zentralen Offenbarung am Sinai spricht JHWH selbst und gibt sich zu erkennen: „Der Herr ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue.“

Im Psalm 103 betet der Psalmist: „Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte“, und weiter: „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich unser der Herr... Er vergibt die Schuld und rettet unser Leben.“ Und in einem anderen Psalm: „Beim Herrn ist Barmherzigkeit und reiche Erlösung.“

 

Während das Wort „gnädig“ darauf verweist, dass Gott sich seinem Volk zuwendet, drückt das „barmherzig“ aus, dass Gott die Sünde, Irrwege, Untreue, Eigensinn und Eigenwege zwar sieht, sie auch verabscheut, aber den Sünder dennoch liebt, die Schuld vergibt, dass er ein verzeihender Gott ist und dem Bund mit seinem Volk treu bleibt, ein Gott, der die Treue bewahrt und dessen Erbarmen von Geschlecht zu Geschlecht waltet.

 

Dies wird besonders bei den Propheten der Exilszeit, also zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft, betont. Bei Jesaja heißt es: „Der Herr tröstet sein Volk und erbarmt sich seiner Armen. (...) Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, eine Mutter ihren leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergessen würde: Ich vergesse dich nicht“. (49,13.15)

Mehr noch als der Exodus, die Herausführung aus Ägypten, wird die Heimführung aus dem Exil als völlig ungeschuldete und rettende Tat der Barmherzigkeit, als Ausdruck der Liebe und Treue Gottes verstanden und erfahren.

 

Gott hat ein Herz für die Menschenkinder.

Hat Gott sich in der Tat nicht immer wieder den Menschen so ge­zeigt und sich ihnen zugewandt? Ist er ihnen nicht immer wieder entgegengekommen? Hat er nicht immer wieder seine Hand ausgestreckt? Hat er mit dem Volk Israel nicht immer wieder seinen Bund erneuert und ihnen durch die Propheten sein Heil angeboten?

Auf jeder Seite der Bibel ist es gleichsam mit Händen zu fassen, was die Absicht Gottes ist, worum es ihm geht, wie sehr wir ihm am Herzen liegen. Es geht ihm darum, mit uns zu sein, helfend, heilend, voll Erbarmen. Es geht ihm nicht um Vergeltung, sondern Befreiung, nicht um Untergang und Verderben, sondern um Rettung und Heil.

Ist das nicht auch das tragende Motiv für die Menschwerdung Jesu, für sein Leiden, für seinen Tod am Kreuz? Das tragende Motiv: der Heilswille Gottes, seine Liebe, sein Erbarmen.

 

Im Neuen Testament ist Jesus der Offenbarer der Barmherzigkeit Gottes. In ihm ist die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen.

Sehen Sie: Ganz, ganz weit ist Gott gegangen in seiner Liebe. Nichts ist ihm zu viel. Alles setzt er ein. Ganz viel lässt er sich seine Liebe und sein Erbarmen kosten: seinen eigenen Sohn.

„So sehr hat Gott die Welt geliebt...“ Und von diesem Sohn heißt es wiederum: „Da er die Seinen liebte, die in der Welt waren...“

 

Die Menschen, die Jesus begegnet sind, haben etwas gespürt von der rettenden, heilenden und sich erbarmenden Liebe Gottes: Maria von Magdala, der Zöllner Zachäus, die Ehebrecherin, der blinde Bettler Bartimäus, der Schächer am Kreuz, aber auch die gekrümmte Frau und die blutflüssige Frau, der Gelähmte, die Aussätzigen, die Menschenmenge, die ihm folgt und zuhört: „Mich erbarmt des Volkes. Schon drei Tage harren sie bei mir aus und haben nichts zu essen.“  Und ein anderes Mal heißt es: „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen, den sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“

Und schließlich sagt Jesus: „Eine größere Liebe hat niemand, als wer sein Leben hingibt für seine Freunde.“

Jesu ausgestreckte Arme am Kreuz sind Zeichen seiner Liebe. Sein durchbohrtes Herz ist Zeichen seiner Liebe.

 

Die Frage ist: Bin ich mir bewusst, dass Liebe Gegenliebe will? Höre ich, wie Gottes Liebe meine Liebe ruft. Will ich seine Liebe erwidern, ihr Antwort geben?

Der Apostel Johannes sagt in einem seiner Briefe: „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“

Und Paulus schreibt im Brief an die Kolosser: „Gott hat uns zuerst geliebt, darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld, ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen habt. Wie Gott euch vergeben hat, so vergebt auch ihr.“

Und im Brief an die Epheser: „Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus ver­geben hat.“ (4,32)

Und Jesus selbst sagt in der Bergpredigt: „Seid barmherzig, wie eurer Vater im Himmel barmherzig ist.“

 

Wenn und weil Gott selber der Barmherzige ist und Jesus Christus unser Erlöser und barmherziger Heiland, ein Freund der Armen, der Kranken und der Sünder, darum bildet die Barmherzigkeit die Mitte christlicher Existenz.

 

Jeden Tag begegnen wir Menschen. Darunter Kranken, Einsamen, Ratlosen, Traurigen, Kummerbeladenen, Verzagten und Ängstlichen, Menschen von materieller oder seelischer Not bedrängt. Sehen Sie: Da ruft Gottes Liebe unsere Liebe, sein Herz ruft unser Herz. Die barmherzige Liebe Gottes, die wir selber erfahren und von der wir alle leben, drängt zur barmherzigen Liebe den Menschen gegenüber. Als Beschenkte sollen wir Schenkende sein und die Gaben, die wir empfangen haben weitergeben.

 

Was ist, wenn Barmherzigkeit, die man selbst erfahren und hat und die einem selbst zuteil geworden ist, was ist, wenn man sie nicht weitergibt, sondern sich verschließt und sie zurückbehält? Empfangene Barmherzigkeit, die nicht weitergeschenkt wird, verkehrt sich einem Gleichnis Jesu zufolge in ihr Gegenteil.

„Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen, wie ich mit dir Erbarmen hatte?“ fragt der Herr im Gleichnis den Schuldner, dem er eine Riesensumme erlassen hat, weil er nicht bezahlen konnte und der ihn um Gnade angefleht hat und dem alle Schuld vergeben wurde. Und was macht der? Er geht hinaus und trifft einen Kollegen, dem hat er ein paar Euro gepumpt, aber der ist auch zahlungsunfähig und er fleht ihn an - genauso wie er selbst vorher seinen Herrn gegenüber - ihm die Schuld zu erlassen, aber er kennt kein Pardon, ganz grob und grausam verfährt er mit seinem Kollegen, hart, gnadenlos, unbarmherzig. „Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen…?“

Jesus hat viele Gleichnisse erzählt, die von der Barmherzigkeit handeln. Berühmt ist das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. „Der barmherzige Samariter“, sagte Kardinal Julius Döpfner einmal, „unterschreibt keine Resolution, die weitergeleitet werden muss, er sagt auch nicht dieses Amt oder jene Stelle ist dafür zuständig, er packt selbst an, er tut, was er kann und hilft, wo Hilfe nötig ist“.

Auch das Gleichnis vom barmherzigen Vater und dem verlorenen Sohn erzählt überaus anschaulich von der übergroßen Güte und Barmherzigkeit Gottes. Evangelium im Evangelium wird dieses Gleichnis genannt, froheste aller Frohbotschaften.

So ist Gott, will Jesus sagen. Bei ihm gibt es immer einen Weg zurück. Bei ihm ist die Tür immer offen. Es gibt keine Sünde, die Gott nicht vergeben könnte. Seine Liebe ist größer als alle schuld.

Im 1. Johannesbrief steht der schöne und tiefgründige Satz:

„Klagt uns unser Herz auch an, Gott ist größer als unser Herz und er weiß alles. „Gottes Liebe“, so heißt es an einer Stelle im Jakobusbrief, „triumphiert über das Gericht“. (Jakobus 2,13)

 

Auch in der Bergpredigt ist von der Barmherzigkeit die Rede:

„Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen“, so lautet eine der Seligpreisungen.

 

Seit dem Mittelalter kennt man die Sieben Werke der Barmherzigkeit: Hungrige speisen, den Durstigen zu trinken geben, die Nackten bekleiden, die Fremden aufnehmen, die Kranken besuchen, die Gefangenen und die Toten begraben.

Dazu haben sich die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit gesellt: Die Unwissenden lehren, den Zweifelnden recht raten, die Betrübten trösten, die Irrenden oder auch Sünder zurechtweisen, die Lästigen geduldig ertragen, denen, die uns beleidigen verzeihen und für die Lebenden und Toten beten.

Den Begriff der Ganzheitlichkeit gab es im Mittelalter noch gar nicht, aber man wusste, der Mensch besteht aus Leib und Seele, aus Verstand und Gemüt. Es gibt nicht nur die leibliche, sondern auch die seelische Krankheit und Not.

Die Hungernden auch heute sind nicht nur die, die ihre Hand nach einem Stück Brot ausstrecken, sondern auch jene, die hungern nach Liebe und Angenommensein. Nackt sind nicht nur jene, die nichts zum Anziehen haben, sondern auch jene, die aller menschlichen Würde entkleidet sind und die, die frieren in den Betonwüsten und Wohnsilos unserer Städte. Einsam und obdachlos sind nicht nur jene, die kein Dach über dem Kopf haben, sondern auch jene, die kein Dach über der Seele haben und denen die Obhut menschlicher Wärme und Zuneigung und Anerkennung fehlt.

 

Barmherzigkeit kann sich in ganz einfachen Dingen spiegeln. „Der rettende Engel der Barmherzigkeit“ schreibt Ida Friederike Görres, „vielleicht versteckt er sich in einer Einladung ins Kino, in einem Brief oder einer simplen Tasse Tee.“ Es müssen nicht immer Heldentaten sein. Auch die kleinen Gesten zählen. Oft ist Liebe in kleiner Münze das einzig mögliche.

 

Wichtig ist gegenseitige Aufmerksamkeit, Interesse aneinander und füreinander, sich gegenseitig gut sein und Gutes tun, Verständnis aufbringen, Zuwendung und Wohlwollen spüren lassen, das „Ja des Seindürfens“ (Martin Buber) schenken.

Jeder Mensch lebt davon, dass es da jemanden gibt, der ihm sagt und zeigt, wie viel er ihm wert ist.

 

Noch etwas ist mir wichtig: Barmherzig zu denken und barmherzig zu handeln vermag, meine ich, derjenige glaubwürdig und echt, der auch zu sich selbst barmherzig ist, die eigenen Fehler und Grenzen kennt und gut mit sich um geht, wer nicht gegen sich wütet und sich nicht mit vielen Vorsätzen überfordert.

Doch wie unbarmherzig gehen wir oft mit uns selbst um, indem wir uns verurteilen, oder uns beschimpfen, wenn etwas schief läuft. Oft sind wir selbst uns gegenüber die der strengste und gnadenloseste Richter.

 

Der frühere Prior von Taize, Roger Schutz hat einmal gesagt: Am Abend unseres Lebens wird es die Liebe sein, nach der wir beurteilt werden, die Liebe, die wir allmählich in uns haben wachsen und sich entfalten lassen: in Barmherzigkeit für jeden Menschen.

 

„Was ihr dem geringsten meiner Brüder und Schwestern getan habt, mir habt ihr es getan“, sagt Jesus zu denen, die Barmherzigkeit geübt haben.

Was allein zählt, was allein Gewicht hat, wenn wir einmal vor Gott stehen, ist die Liebe, nichts als Liebe, Liebe, die dem Menschen als Menschen begegnet, mitfühlend, hilfreich, rettend, heilend. Da werden manche Große wohl sehr klein aussehen und manche Kleine, auch die vielen Ehrenamtlichen, die in einer Suppenküche mithelfen, oder Kranke und Alte besuchen oder ihre alten Eltern pflegen – sie werden groß dastehen. Unser Hier ist wichtig. Es ist ausschlaggebend für unser dort. „Heute wird getan oder auch vertan, worauf es ankommt, wenn ER kommt.“, heißt es in einem Lied.

Lothar Zenetti schreibt: „Es ist sicher, dass wir schneller fahren, höher fliegen und weiter sehen können als Menschen früherer Zeiten. Es ist sicher, dass wir mehr abrufbares Wissen zur Verfügung haben als jemals Menschen vor uns. Es ist sicher, dass Gott sein Wort niemals zu einer besser genährten, gekleideten und besser gestellten Gemeinde gesprochen hat. Nicht sicher ist, wie wir bestehen werden vor seinem Blick. Vielleicht haben wir mehr Barmherzigkeit nötig als alle, die vor uns waren.“

 

Der hl. Franziskus hat ernst gemacht mit dem Wort Jesu: „Was ihr einem der Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“ Er hat ernst gemacht mit der Liebe. Er hat nicht nur von Barmherzigkeit gesprochen, sondern sie praktiziert.

Elisabeth von Thüringen war für ihre Zeit was Mutter Theresa für unsere Zeit ist. Es war eine Zeit, die geprägt war von Kriegen, Hungersnöten und Seuchen, Rechtlosigkeit, geistiger und sittlicher Verwahrlosung.

„Mit Antennen der Liebe“, hat sie die Notschrei ihrer Zeit aufgefangen. Sie packte nicht nur selbst zu, sie verstand es auch, Menschen zum helfen zu animieren und ihren Einsatz dauerhaft zu organisieren.

Elisabeth brachte eine Welle der Nächstenliebe in Bewegung, die vielen aus dem Elend half: Findelkinder, Kranke, Obdachlose, Hungrige. Auch der Behinderten, damals sagte man Krüppel, und auch der Geisteskranken und alten und verlassenen Menschen nahm sie und die, die sich ihm anschlossen, sich an.

Die Kraft zur tatkräftigen Nächstenliebe und zu den Werken der Barmherzigkeit schöpfte sie aus dem Evangelium und aus dem Gebet.

Es ist gut, dass wir die Heiligen der Nächstenliebe haben. Wir brauchen auch heute etwas von dem Geist ihrer starken Gottes- und Nächstenliebe, damit es hell und menschlich bleibt in der Welt, freundlich und – eben – barmherzig.