Exerzitien mit P. Pius

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"Um die vierte Nachtwache"

(Ernst Alt)

Ein Boot auf offener See, Wind und Sturm ausgesetzt,

ringsum hohe Wogen und Wellen.

Im Boot eine Anzahl Männer mit ganz unterschiedlichen Haltungen und Gesten.

Dem tobenden Sturm und den tosenden Wassern ausgeliefert.

Eine lebensbedrohliche Situation, höchste Not, äußerste Krise.

Hilflosigkeit, Angst, Verzweiflung, Schrecken.

 

Ist das ein Bild unseres Lebens und unserer Zeit? Wer von uns kennt das nicht?

Und Jesus? Er ist nicht zu sehen? Er hat die Seinen allein vorausgeschickt zur Überfahrt ans andere Ufer.

Es war nach der Brotvermehrung. Die Menschen waren satt geworden. Die Jünger hatten große Zeichen gesehen.

Jetzt war es Nacht. „Um die vierte Nachtwache“, so sagt die Schrift.

 

Einer ist gerade dabei, das Boot zu verlassen. Er riskiert es, auszusteigen und die scheinbare Sicherheit des Bootes aufzugeben. Er wagt sich hinaus auf das gefahrvolle Wasser, hinaus auf die sturmgepeitschte See.

 

Petrus steigt aus. Er ist schon mehr draußen als drinnen.

Nur noch den linken Fuß hat er hinter dem Bootsrand.

Er lässt die Fregatte des Zweifels und der angstverblendenden Schreie hinter sich.

Den rechten Arm hat er weit nach vorn ausgestreckt.

Die Hand greift mit gespreizten Fingern ins Nichts, in die Nacht, ins Dunkel. Die andere Hand hält er hinter das Ohr, formt sie wie zu einer Muschel, um besser zu hören.

Die Augen hat er weit geöffnet. Sie schauen wie gebannt, wie fixiert ins lichte Dunkel, ins Ungewisse. Etwas scheint ihn links außerhalb des Bildes wie magisch anzuziehen.

Und das tosende Wasser? Es sieht so aus, als würde es den Wagemutigen, den Glaubenden tragen.

 

Einer der Männer im Boot versucht den Aussteigenden mit aller Kraft und Gewalt zurückzuhalten und ihn mit Händen und Füßen wieder ins Boot zu ziehen. Mit beiden Händen hält er sein Gewand und zieht aus Leibeskräften, den linken Fuß am Bootsrand abstützend und unterstützend zu Hilfe nehmend.

 

Petrus ahnt in dunkler Nacht den Meister.

Er hört trotz tosender See den Zuruf: „Mut! Habt keine Angst! Ich bin es.“

Und Petrus erwidert: „Herr, wenn du es bist, lass mich auf dem Wasser zu dir kommen!“

Dann hört er aus dem Dunkel die Aufforderung: „Komm!“

 

Petrus hört und folgt.

Er tut den ersten Schritt der vertrauten und Mut machenden Stimme des Herrn entgegen.

Er streckt sich nach ihm aus und versucht ihn mit seiner rechten Hand zu ergreifen, ihn, der ihn zuvor ergriffen hat.

 

Aus Hören und Horchen wächst Gehorchen.

Ist er nicht schon einmal auf Jesu Ruf hin „ausgestiegen“, hat alles verlassen, die Boote, den Fischereibetrieb, die Familie?

 

Und die übrigen im Boot?

Man könnte bei jedem eine Sprechblase bilden und ihm einen Ausruf oder einen Aufschrei in den Mund legen.

  • Einer tippt mit dem Finger an seine Stirn und zeigt mit der anderen Hand auf den Aussteiger: „Der spinnt, total verrückt! Der hat sie doch nicht mehr alle!"

  • Der hinter ihm, am Ende des Bootes, hat den Kopf erhoben, die Augen geschlossen und die Hände zum Gebet gefaltet. Er schickt einen SOS-Ruf zum Himmel: „Himmel hilf!“

  • Der vor ihm ist tief erschrocken. Er schaut ganz entsetzt und hält sich an seinem Vordermann fest: „Wahnsinn, was da abgeht!“

  • Dieser geht in Deckung und schlägt fassungslos die Hände überm Kopf zusammen: „Nichts hören und nichts sehen!"

  • Ganz rechts im Bild – am meisten von Petrus entfernt – sitzt einer den Rücken an die Bootswand gelehnt, den Kopf nach links zum dramatischen Geschehen gewendet, die linke Hand abwehrend erhoben. In seinem Gesicht Bestürzung und blankes Entsetzen. Oder schaut er – wie gebannt – auf die schemenhafte gespensterhafte Erscheinung, die ihnen auf dem Wasser entgegenkommt? „O mein Gott! Ach du Schreck!“

„Sie schrien auf vor Angst, denn sie meinten es sei ein Gespenst.“

 

Menschen wie du und ich.

Jeder reagiert anders, jeder auf seine Weise, aber alle voll innerer Dynamik.

 

Und ich? Wo finde ich mich wieder?

Bin ich der eine oder der andere? Oder kenne ich sie alle?

Leben nicht alle in mir, heute dieser, morgen jener?

 

Menschen im Boot – wir – unterwegs wie die Jünger im Auf und Ab des Lebens, suchend und fragend, hoffend und bangend, in Angst und Zweifel, auf der Fahrt ans andere Ufer durch Nacht und Gefahr.

 

Und wo ist Jesus? Er sitzt nicht mit uns im Boot.

Wir machen die Erfahrung seiner Ferne, seiner Abwesenheit.

Haben wir nicht alle manchmal Angst, Gott könnte uns verlassen haben?

Und sehen wir nicht auch manchmal Gespenster, wo wir glauben und vertrauen müssten?

„Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ fragt Jesu den sinkenden Petrus, ihn an der Hand nehmend und aus dem Wasser ziehend, das ihm schon bis zum Hals steht.

 

Die Kirche als Boot, „ein Schiff, das sich Gemeinde nennt“ auf der Fahrt durch das Meer der Zeit.

Stürme bleiben diesem Schiff nicht erspart. Bedrohungen, Krisen, von außen und von innen. Immer wieder wird es schwer geschüttelt.

Unterschiedliche Interessen, Kritik, Intrigen, Auseinandersetzungen. Verschiedene Bekenntnisse, Lager und Parteiungen. All das löst Unruhe aus. Es verunsichert und macht Angst.

 

Und wo ist Jesus?

Hören wir seine Stimme, die Mut machen und Vertrauen wecken will: „Nur Mut! Fürchtet euch nicht! Ich bin es!“

 

Das Bild von Ernst Alt fragt, wie wir auf Gottes Stimme mitten in Sturm und Bedrängnis reagieren.

Rechnen wir überhaupt mit Gott im Alltag? Wenn es drunter und drüber geht? In Lärm und Betriebsamkeit? In Hektik und Angst? Bei Not und in Gefahr?

 

Zweifeln wir eher oder glauben wir, dass sein Wort uns tragen und die Richtung zeigen kann? Glauben wir, dass auf ihn und sein Wort Verlass ist? Trauen wir, traue ich, dem „Komm“?

 

„Um die vierte Nachtwache“. – Ist das ein Hinweis auf Ostern?

Die Begegnung Jesu mit den Jüngern wird geschildert wie die Erscheinungen des Auferstandenen.

Zur vierten Nachtwache sprengte Leben den Felsen des Todes.

Zur vierten Nachtwache, am frühen Ostermorgen, ruft der Engel den Frauen zu: „Fürchtet euch nicht! Jesus ist auferweckt. Er geht euch voran nach Galiläa!“ (Mt 25, 5 - 7)

Auch in den österlichen Auferstehungserzählungen halten die Jünger Jesu zunächst für einen Geist, erschrecken und haben Angst. Sein Wort „Ich bin es“ beruhigt auch dort und schafft Vertrauen.

Dass er, der Herr „bei ihnen“ ist, durchzieht übrigens wie ein roter Faden das Matthäusevangelium. Das beginnt mit dem Hinweis auf seinen Namen: „Man wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: „Gott ist mit uns“ (1, 23), bis zur Verheißung des Auferstandenen: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (28, 20).

 

Die Erzählung will Mut machen: Wer an Jesus Christus glaubt, wer den Zweifel und die eigene Kleingläubigkeit überwindet und ihm vertraut, wird nicht untergehen. Ihm wird es – wie Petrus – möglich, das bedrohliche Wasser und mit ihm alles, was für menschliches Leben bedrohlich erscheint, zu besiegen.

 

HAB VERTRAUEN!

ICH BIN ES!

FÜRCHTE DICH NICHT!

KOMM!

 

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