Exerzitien mit P. Pius

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Gelebter Osterglaube

 

Es war kurz nach dem Ende des Krieges. Da besuchte ein Jude seine Lebensretter im zerstörten Rotterdam.

 

Er erzählt: Ich bin Jude. Mit vierundzwanzig Jahren trat ich zum katholischen Glauben über, weil ich im Neuen Testament den Gott der Liebe entdeckt zu haben glaubte, den Gott der Menschen, den Menschensohn und Gottessohn. Dann kam das Dritte Reich, der Krieg – und der Gott der Liebe hat sie alle erschlagen. Meine Eltern, zwei Brüder… Holländische Freunde halfen mir, in die USA zu entkommen.

Nach dem Krieg sah ich sie wieder im zerstörten Rotterdam. – „Ich bin Jude“, sagte ich, „jetzt kann ich nur noch Jude sein!“ – Sie sahen mich an mit großer Güte. Ihr Sohn war vermisst, ihre Existenz zerstört. Gemeinsam mit einer anderen Familie bewohnten sie einen einzigen Raum in der Nähe des Hafens. Sie klagten nicht, teilten ihre schäbige Brotration mit dem, der wohlgenährt in amerikanischer Uniform zu ihnen kam.

Spät am Abend – ich fühlte mich unbehaglich und fremd bei den Freunden von einst, denen ich mein Leben verdanke – sagte ich aufsässig: „Und ihr glaubt also immer noch…? – Sie lächelten wie Verschworene, die beiden Alten, deren Sohn verschollen war. „Warum nicht?“ – „Nach allem, was passiert ist…?“

Der Mann schob den Whisky beiseite, den ich mitgebracht hatte und den er nicht kannte, legte die Hand auf meinen Arm – „Du lebst!“ – „Das verdanke ich euch…“

Jetzt sah die Frau mir mitten ins Gesicht: Du lebst, weil ER lebt…!“ --- Auf einmal, so als hätte man mir eine lange Geschichte erzählt, begriff ich, der ich bis dahin zornig und rachsüchtig dahingelebt hatte, dass ich mein Dasein zwei Menschen verdankte, deren Glauben so lebendig war, dass sie alle Gefahren auf sich genommen hatten, um mich zu retten.

 

„Du lebst, weil ER lebt!“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Diese beiden Holländer glauben an Jesu lebendige Gegenwart. Darum haben sie unter Einsatz ihres eigenen Lebens einem jüdischen Menschen zur Flucht verholfen. Dieser Glaube ist so tief in ihnen verankert, dass sie selbst den Kummer und die fürchterliche Ungewissheit um ihren verschollenen Sohn ertragen können, dass all das Leid sie nicht hat verbittern lassen.

 

„Du lebst, weil ER lebt“, sagen sie. – Wir verschieben Ostern entweder in die Vergangenheit: damals, vor 2000 Jahren, hat Gott den gekreuzigten Jesus mit seinem unvergänglichen Leben beschenkt, damals, lang ist’s her.

Oder wir verschieben die Auferstehung in die Zukunft: Auch uns wird Gott einmal dieses bleibende Leben schenken – später, wenn wir sterben. Und das ist hoffentlich noch recht lange hin, wenigstens ein paar Jährchen.

Doch wir leben jetzt, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Aber das, was damals geschah, im Jerusalem der 30er Jahre, prägt unser jetziges Leben, hoffentlich! Und das, was wir in der Zukunft von Gott erhoffen, wirft seinen Vorschein schon auf unser jetziges Leben, hoffentlich!

Die beiden Alten aus Holland haben das begriffen. Für sie ist Jesus nicht eine Gestalt der Vergangenheit, lang, lang her. Er ist auch nicht bloß der Garant einer fernen Zukunft, irgendwann einmal. Nein, er ist der Gegenwärtige, der jetzt lebt. Er tröstet ihr gegenwärtiges Leben und stärkt sie. Er bewegt sie zum Handeln.

 

Für diese beiden ist Jesus lebendige, gegenwärtige Wirklichkeit. Jesus, dessen ganze Leidenschaft Gott war. Genauer: Gott und die Menschen.

Dieser Mann aus Nazareth fasziniert uns bis heute. Weil er die Menschen liebte, mit einer Konsequenz und Weite ohnegleichen. Er sah in ihnen die Geschöpfe Gottes. Darum ging er vorbehaltlos auf sie zu, gerade auch auf die Belasteten, die Schwierigen und Komplizierten, die Kranken und Behinderten.

Wie viele konnten in seiner Nähe aufatmen, haben ein neues Selbstwertgefühl gekriegt, Menschen, die von anderen längst abgeschrieben waren. Wie vielen hat er neues Selbstvertrauen gegeben: es ist noch nicht zu spät. Du kannst neu anfangen. – Und damit ist Jesus angeeckt. Es war keine weichliche Liebe. Jesus konnte zornig werden wie nur was, wenn Menschen über andere unbarmherzig und kleinlich urteilten oder ihre Macht über sie auszuüben suchten.

 

Seine Liebe war unbestechlich. Und sie war völlig selbstlos. Er hat nicht gefragt: Wo bleibe ich? Wie komme ich zu meinem Recht? Wie finde ich mein Glück? Er hat nicht krampfhaft sich selbst gesucht. Er hat sich verschenkt, buchstäblich, restlos. Denn er war von dem tiefen Vertrauen beseelt: Gott ist mir nahe, er bleibt mir nahe, er hält mich, auch im Sterben. Der Vater lässt mich nicht los. Er ist mein letzter Halt. Dieser Gott hat ihn nicht betrogen – obwohl es für einen Augenblick so aussehen mochte, als er seine Not herausschrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Auch diese dunkle Erfahrung blieb ihm nicht erspart. – Und doch, das bekennt die Christenheit: Sein Sterben war die tiefe Solidarität Gottes mit uns, mit unseren Fragen und Schreien… Und die Christenheit bekennt von allem Anfang an: Gott hat ihn in dieser äußeren Not nicht im Stich gelassen. Er hat ihn aufgefangen in sein bleibendes Leben hinein.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das feiern wir heute. Jesu Auferweckung aus dem Tod. Wir feiern die Treue Gottes, die stärker ist als der Tod. Gott hat Jesus nicht scheitern lassen. Er wird auch unser Leben vor dem letzten Misslingen bewahren.

 

Was alles in unserem Leben könnte sich ändern, heute, jetzt schon, wenn diese Zuversicht tief in uns eindringen könnte, dieses tiefe Vertrauen: Mein Leben steht in seiner Hand, was auch immer passiert, in Gesundheit und Krankheit, in Erfolgen und Misserfolgen, in der Jugend und im Altwerden, im Leben und im Sterben.

Wie vieles könnte sich in unserem Leben verändern, heute, wenn dieser Glaube uns ganz tief erfüllte!

 

Dann werde ich Menschen, die ich schätze und liebe, nie ganz fallen lassen. Vielleicht sollten wir doch noch mal das abgerissene Gespräch aufnehmen. Vielleicht ist unsere Resignation ja doch nicht richtig, diese tödliche Falle, wo wir meinen: es lohnt sich ja doch nicht mehr…

 

Dann werden Eltern, die vor lauter Sorgen um ihre heranwachenden Kinder fast verzweifelt sind, doch nie ganz die Hoffnung aufgeben, dass es mit ihnen noch gut werden wird, weil da noch ein anderer mit im Spiel ist…

 

Da werden wir zwar manchmal denken: ich sehe nicht wie es weitergehen soll, ich bin der Verzweiflung nahe, aber ich werde die Hoffnung nicht aufgeben, dass sich ein Ausweg auftun wird oder dass mir Kräfte zuwachsen, ungeahnt, das, was sein muss, zu tragen…

 

Da werde ich an der Kirche nicht verzweifeln, obwohl mir manchmal danach zumute ist. Aber eben dieser Kirche verdanke ich den Osterglauben. Jesus hat seine Sache schwachen Menschen anvertraut. Gerade deswegen darf auch ich dazugehören, als schwacher und fehlender Mensch…

 

Dann kann ich mich für mehr Gerechtigkeit engagieren und für die Bewahrung der Schöpfung. Ich werde, so gut ich kann, versuchen meinen Beitrag zu leisten, auch wenn ich weiß, dass ich die Welt nicht aus den Angeln heben kann.

 

Dann wird ein junger Mensch, dessen Beziehung in die Brüche ging, sich nicht in Selbstmitleid einigeln oder sagen: bloß nicht noch einmal eine Enttäuschung, dann lieber allein bleiben – nein, er wird das Abenteuer der Liebe doch noch einmal riskieren…

 

Dann wirft mich der Tod eines Menschen zunächst zu Boden, macht mich stumm, vielleicht auch zornig. Aber dann kann, nach vielen dunklen, verzweifelten Stunden vielleicht doch die Zuversicht die Oberhand gewinnen, dass der andere bei Gott geborgen ist, wir bei ihm auf neue Weise zusammenfinden werden. Und ich kann plötzlich entdecken, dass auch dieses Leben für mich noch Gutes bereithält…

 

Ich wünsche uns allen: bei dieser Osterfeier möge das Vertrauen auf Gott in uns tiefere Wurzeln schlagen. Der Glaube an ihn möge uns Gelassenheit und Hoffnung schenken, Licht im Dunkel. Weil ER lebt und weil wir mit IHM und unseren lieben Verstorbenen leben werden.

 

Die Geschichte am Anfang findet sich in: M. Peitz, Von der Freude ein Christ zu sein. Zeugnisse aus unserer Zeit, Mainz 1975, 26-27

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