Exerzitien mit P. Pius

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Fußwaschung

(Bildmeditation zu einem Bild von Sieger Köder) 

Jesus wäscht am letzten Abend seines Lebens den Jüngern die Füße. Vielleicht waren es staubige Füße, übelriechende, schwielige, wundgelaufene, schmerzende Füße.

 

Auf dem Bild von Sieger Köder sehen wir einen Ausschnitt der Fußwaschungsszene: Jesus und Petrus.

 

Jesus, der Herr und Meister, macht sich klein.

Er ist zu Boden gegangen, ganz nach unten.

Er beugt sich zu einer Schüssel mit Wasser herab,

um die darin stehenden Füße des Petrus zu waschen.

 

Eine Handlung, die bei einem orientalischen Mahl damals üblich war.

Nur war es die Arbeit der Diener.

Sie lösten die Riemen der Sandalen.

Sie wuschen die Füße der Gäste.

Es war ein Sklavendienst.

 

Jesus übernimmt diesen Dienst.

Er delegiert ihn nicht an jemand anders.

Er tut es selbst.

Eine Geste der Demut, und noch mehr:

Ausdruck seiner Liebe, Zeichen seiner Selbsthingabe in den Tod.

 

Petrus ist erstaunt, irritiert, ja bestürzt.

Was ist in Jesus gefahren?

Er wäscht ihm die geschundenen Füße?

Er dient ihm?

Jesus, sein bewunderter Meister, sein geliebter Herr!

Nein, das geht zu weit!

 

Die linke Hand des Petrus wehrt ab.

Sie steht in der Mitte des Bildes wie eine Beschwörung:

Du, Herr, sollst nicht solchen Knechtsdienst für mich tun.

Das gibt`s doch nicht: der Herr, ein Knecht!

Das kann, das darf doch nicht sein!

 

Petrus kann es nicht verstehen.

Er kann es nicht annehmen.

Er will es nicht zulassen.

So viel Liebe und Hingabe!

In seinen Augen zu viel des Guten.

Zu viel der Liebe und Hingabe.

 

Aber seine rechte Hand hat er auf Jesus gelegt

und den Kopf zärtlich dazu geneigt.

Es ist als wolle er in Jesus hineinhorchen,

so schmiegt er sich an ihn,

um das Geheimnis solcher Liebe und Hingabe zu verstehen.

 

Ob Petrus ahnt, dass im Sich-Bücken, im Dienst nach unten,

Heil und Segen zu erfahren sind?

Noch ist Petrus unverständig, nicht begreifend

und doch schon liebend seinem Herrn zugewandt.

Einerseits: „Niemals, Herr, sollst du mir die Füße waschen!“

Andererseits: die Sehnsucht, Anteil an Jesus zu haben.

Denn Jesus sagt:

„Wenn ich dir die Füße nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir!“

 

Wie Israel unter Gottes Führung durch das rote Meer ziehen musste, um ins gelobte Land zu kommen – wie Jesus am Beginn seines Wirkens in den Jordan stieg (das blaue Tuch mag darauf hindeuten) – so muss auch Petrus ins reinigende Wasser hinein, um die reinigende, die befreiende und heilende Liebe Gottes durch Jesus zu erfahren.

 

Das Eigentliche von Jesus ist nicht zu sehen.

Sein Gesicht ist verdeckt, vom jüdischen Gebetsschal verhüllt. Doch sein Spiegelbild finden wir im Wasser.

Dort, wo Petrus am schmutzigsten ist, erscheint das Antlitz des Herrn, direkt auf seinen Füßen.

Weil Jesus in den Schmutz eintaucht, taucht aus diesem Schmutz das Bild seiner Liebe auf.

 

Jesu Gesicht wirkt müde und wie um Jahre gealtert.

In seinem Blick ist Trauer.

Eindringlich sind die Augen, die nicht loslassen, die mit großer Kraft bitten:

Nimm meine Liebe an! Lass sie dir gefallen!

 

„Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zur Vollendung“,

so leitet der Evangelist Johannes das letzte Abendmahl und die Fußwaschung Jesu ein.

Die Fußwaschung ist für den Evangelisten ein Bild für das ganze Leben Jesu.

Dazu ist er in die Welt gekommen.

Diesen Dienst will er uns Menschen erweisen.

Es ist ein Liebesdienst.

 

Jesus ist auf unserem Bild ganz hin-gegeben, hinein-gegeben in seine ihm den Tod, uns aber Leben spendende Liebe.

 

Hinter der Szene der Fußwaschung ist ein mit Brot und Wein gedeckter Tisch zu sehen.

 

Fußwaschung und Eucharistie.

Beide weisen auf die Lebenshingabe Jesu am Kreuz hin.

Der Herr, der vor Petrus kniet und ihm die Füße wäscht und das in Kreuzesform gebrochene Brot bzw. der aus vielen Trauben gepresste Wein im Kelch sind gleichermaßen Ausdruck des ganzen Lebens Jesu, beides sind Zeichen seiner äußersten Liebe.

 

Der Lichtschein um das viergeteilte Brot hat die gleiche Farbe wie das Gewand des am Boden knienden Herrn. So unterstreicht der Maler noch einmal den Zusammenhang zwischen Eucharistie und Fußwaschung.

Sieger Köder weiß, dass im Johannesevangelium die Fußwaschung an die Stelle der Eucharistie tritt. Dort wo die anderen Evangelisten die Einsetzungsworte Jesu haben, steht bei Johannes die Fußwaschung.

Das zeigt, dass für Johannes der Sklavendienst Jesu ebenso wichtig ist wie das Sakrament des Altares.

 

Wir kennen die Redensart „mit gutem Beispiel vorausgehen“. Jesus tut es.

Und er sagt:

Wenn ich euer Herr und Meister euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander diesen Dienst tun.

Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit ihr so handelt, wie ich euch getan habe.

In der gleichen dienenden Liebe und liebenden Hingabe soll sich das Jüngersein derjenigen zeigen und bewähren, die zu ihm gehören und ihm nachfolgen.

 

So wird die Fußwaschung zu einem Brennpunkt der Christusverkündigung und zu einem Prägestempel für das christliche Leben.

In Christus ist die uns zuvorkommende Liebe Gottes unter uns erschienen. Und so müssen auch wir einander lieben.

 

Die beiden Schatten an der Wand auf dem Bild könnten auch unsere Schatten sein. Sie neigen sich einander zu.

Die Fußwaschung darf nicht aufhören. Wie Jesus sich uns in Liebe zuneigt, so sollen auch wir uns einander zuneigen.

 

Wir feiern Jesus, wir feiern seine Liebe, die bis zum Äußersten geht, in der Liturgie, im Gottesdienst.

Wir tun es auch jetzt in dieser Stunde. Das ist recht und gut.

Jesus sagt ja: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“

Jesus erwartet von uns aber noch mehr:

nicht erstarrte Riten, sondern gelebte Liturgie.

Konkrete, praktische Liebe, wie er sie geübt hat.

Demutssinn, wie wir ihn bei ihm sehen.

Dann erscheint auf dem Grund des Schmutzes auch heute das Wunder seiner Liebe:

das Antlitz seines Erbarmens und seiner Treue.

 

„Begreift ihr, was ich euch getan habe?“

Wenn der Jesus dieses Bildes unter den Bischöfen und Prälaten seiner Kirche viele Nachfolger fände, wenn er in den vielen Pfarrgemeinden und Seelsorgeeinheiten von allen seinen Jüngerinnen und Jüngern nachgeahmt würde, dann würde in unserer entkirchlichten und entchristlichten Gesellschaft ein neuer Geist wehen, in der winterlich erstarrten Kirche würde ein neuer Frühling anbrechen und wir könnten auf Heil und Heilung hoffen.

 

In unserer Zuwendung zueinander und in unserem Dienst aneinander liegt unendlich viel Segen verborgen.

 

Alles hängt davon ab, in die Gesinnung Jesu hineinzuwachsen,

seine Denkart mehr und mehr zu unserer zu machen,

uns von seinem Geist berühren und anstecken zu lassen

und ihm in der dienenden Liebe zu folgen.

Das und nichts anderes ist der christliche Weg der Liebe.

 

Jesus spricht in diesem Zusammenhang eine Seligpreisung aus:

„Wenn ihr das wisst, selig seid ihr, wenn ihr es tut!“

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