Exerzitien mit P. Pius

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Die Seligpreisungen

(4. Sonntag - Lesejahr A., Mt 5, 1 - 12a)

 

 

„Selig die Sanftmütigen“

 

Sanftmut: 

Ist das nicht eine seltsame, altmodische Vokabel?

 

Sanftmut:

Klingt das nicht irgendwie muffig, gestrig, lammfromm, realitätsfern?

 

Sanftmut:

Passt das in unsere Welt, in eine Welt, in der mit harten Bandagen gekämpft wird, in eine Welt voller Brutalität, der Korruption, des Mobbing am Arbeitsplatz, der erbitterten Machtkämpfe, der Rücksichtslosigkeit und unverhohlenen Selbstsucht?

 

Sanftmut:

Ist das erstrebenswert? Gelten in unserer Gesellschaft nicht ganz andere Werte? Sind nicht ganz andere Haltungen gefragt, wenn man’s zu was bringen will, wenn man nicht unter die Räder kommen, hoffnungslos ab- gehängt, untergebuttert und ausgenutzt werden will?

 

Lernen nicht schon unsere Kinder, sich durchzusetzen, stark zu sein, schlagfertig, sich zu behaupten und zu wehren?

 

„Selig die Sanftmütigen!“

Weltfremder, so möchte man meinen, geht’s nicht.

 

„Selig die Sanftmütigen!

Ist das ein Witz? Klingt das nicht wie Hohn? – Im Alltag, im Beruf, in Wirtschaft und Politik, ja in allen Lebensbereichen zählen doch ganz andere Dinge! – Da gilt das Gesetz des Stärkeren. Da geht’s nach dem Motto „Wie du mir so ich dir!“ Da weiß man, wo man dran ist. Kann die Welt anders überhaupt in Ordnung gehalten werden?

 

Aber, liebe Schwestern und Brüder, heißt Sanftmut, dass ich alles mit mir machen lasse, mir alles gefallen lasse, immer nachgebe, alle Gehässigkeiten hinnehme, alle Demütigungen hinunterschlucke, alle Schläge (und seien es nur Nadelstiche), verbale und andere, ertrage? Ist man da nicht immer die Dumme? Und wird solche Gutmütigkeit nicht gnadenlos ausgenützt?

 

Schauen wir auf Jesus!

 

Die Seligpreisungen sind ein Portrait von ihm selbst. Sie sind nur verständlich von ihm her. Auch die Sanftmut bekommt Sinn von seinem Leben und Wirken, von ihm her, der die Willkür und Bosheit der Menschen wie kaum ein anderer zu spüren bekommen hat.

Jesus sagt einmal: „Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen!“

Sanftmütig reitet er auf einem Esel, nicht hochmütig, nicht machtbesessen. Er bückt sich und tut Sklavendienst, wenn er seinen Jüngern die Füße wäscht. Zu Petrus sagt er: „Steck dein Schwert in die Scheide!“ Jesus verzichtet im entscheidenden Moment auf Gewalt. Er schlägt nicht mit gleichen Waffen zurück, obwohl er es könnte. Er verzeiht seinen Henkern. Er durchbricht den Teufelskreis des Bösen. Hass und Wut laufen sich buchstäblich tot an ihm.

Andererseits bedeutet für Jesus Sanftmut nicht, zu allem Ja und Amen zu sagen. Jesus war ohne Zweifel ein konfliktfreudiger Mensch. Er bekennt Farbe. Er sagt offen seine Meinung. Er scheut nicht die Auseinandersetzung. Als ihn einer beim Verhör vor Pilatus schlägt fragt er zurück: „Warum schlägst du mich?“ Jesus nennt Bosheit, Selbstsucht, Heuchelei beim Namen.

 

An Jesus sehen wir: Sanftmut hat nichts damit zu tun, Konflikten aus dem Weg zu gehen oder sich Ärger zu ersparen. Sanftmut hat nichts mit Duckmäusertum oder Feigheit zu tun. Es ist auch keine Passivität oder Resignation. – Sanftmut ist sogar höchste Aktivität. Es ist befreiendes Handeln.

 

Sanftmütige sind mutig. Sie brauchen den Mut, in einer von Gewalt geprägten Gesellschaft nicht Böses mit Bösem zu vergelten.

Sanftmütige brauchen den Mut, den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt zu durchbrechen, den Mechanismus von Schlag und Gegenschlag zu beenden.

Sanftmütig sind nicht diejenigen, die alles dulden und hinnehmen. Der Sanftmütige geht weiter. Er geht darüber hinaus.

Der Sanftmütige braucht den Mut, an die Stelle des Bösen das Gute zu setzen, statt zu hassen zu lieben, statt zu verfluchen zu segnen, statt Wunden zu schlagen zu heilen, statt eisig zu schweigen zu grüßen. Es gehört Mut dazu, sanft zu sein, wenn jeder nur den Ellbogen gebraucht.

Sanftmütige sind keine Schwächlinge. Sie sind stark. Diejenigen, die zuschlagen und Gewalt anwenden, überspielen nur ihre eige­nen Schwächen. Und sie suchen sich noch Schwächere, Wehr­lose, um sie zu drangsalieren und auf ihnen herumzuhacken. Gewalt gegen Frauen, Kinder, alte Menschen, gegen Ausländer und Andersdenkende. Gewalt in der Schule, am Arbeitsplatz, in der U-Bahn, auf der Straße, Gewalt im Fernsehen.

Der sanfte Mut dagegen braucht nicht die Argumente der Faust. Er verzichtet auf die Gewalt der Zunge und des Herzens.

 

Musst du wirklich immer stark, mächtig und erfolgreich sein. Musst du wirklich immer alles besser wissen, recht haben, der Gewinner sein?

Wäre es nicht besser, andere Menschen zu verstehen, sich in sie einzufühlen, achtsam mit ihnen umzugehen, weil sie wie du Ebenbild Gottes und Sohn und Tochter Gottes sind?

 

Musst du wirklich dauernd konkurrieren, rivalisieren, dich mit anderen vergleichen. Missgunst, Neid und Eifersucht sind die Folgen.

Wäre es nicht besser, echte Gemeinschaft zu erleben, menschli­che Nähe und Wärme, Freude und Vertrauen zu spüren?

 

Musst du wirklich immer oben sein, der Beste, mehr haben? Mit hängender Zunge? Ein Getriebener und Gehetzter?

Wäre es nicht schöner und verheißungsvoller, menschliche Beziehungen aufzubauen, sich um jemanden zu kümmern, der einen braucht, Zeit haben, zuhören, wo du doch weißt, dass alles im Leben geliehen ist und du doch nichts mitnehmen kannst?

Musst du dem anderen wirklich immer alles heimzahlen? Warum kennst du kein Pardon? Muss der Teufelskreis von Hass und Unrecht immer weitergehen, Gewalt immer noch mehr eskalieren?

 

„Spreng die Fesseln der Gewalt!“ heißt es beim Propheten Jesaja. „Zertrümmere jedes Joch! Gib frei die Misshandelten!“

Das heißt doch: Sag nein zur Gewalt. Schlag einen Keil in den Kreislauf von Hass und Rache. Sag ja zum Frieden!.

 

Das ist nicht Passivität. Das ist eine neue Initiative. Das ist eine neue Gangart des Lebens. Nicht das Böse diktiert mehr das Gesetz des Handelns, sondern das Gute und die Liebe.

 

„Selig die Sanftmütigen!“

Sanfter Mut geht nicht mit dem Kopf durch die Wand.

Sanfter Mut braucht einen langen Atem und viel Kraft.

Sanfter Mut tut immer weniger mit Gewalt und mehr mit Geduld.

Sanfter Mut macht mich Jesus ähnlich, lässt mich evangeliumsgemäß leben.

Sanfter Mut macht mein Christsein überzeugend und glaubwürdig.

 

Nicht nur das: Ich selbst werde ein Ort, wo Menschen aufatmen können, Beheimatung fühlen, Licht und Wärme spüren, Freiheit und Weite erleben, Hoffnung und Zukunft erfahren.

Und vielleicht könnte mancher Verbitterte und Verschlossene, mancher Hartgesottene und Gewalttätige wieder an Gottes Güte und Erbarmen glauben. Und manches Misstrauen und mancher Egoismus würde aufgebrochen, wenn ihm gegen alle Erwartung menschliche Güte, menschliche Anteilnahme, Wertschätzung und herzliche Liebe begegnen.

Denn wirklich heilen und versöhnen und zum Leben befreien können nur Geduld und Güte und vor allem Liebe.

 

Die Entscheidung dafür ist eine Entscheidung für Gott und gleichzeitig eine Entscheidung fürs Leben.

Amen

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