Erste Lesung
Willst du dich für mich
ereifern?
Wenn nur das ganze Volk zu
Propheten würde!
Lesung
aus dem Buch Númeri
In jenen Tagen
25kam
der Herr in der Wolke herab und redete mit Mose. Er nahm etwas von dem Geist,
der auf ihm ruhte, und legte ihn auf die siebzig Ältesten. Sobald der Geist auf
ihnen ruhte, redeten sie prophetisch. Danach aber nicht mehr.
26Zwei Männer
aber waren im Lager geblieben; der eine hieß Eldad, der andere Medad. Auch über
sie kam der Geist. Sie gehörten zu den Aufgezeichneten, waren aber nicht zum
Offenbarungszelt hinausgegangen. Auch sie redeten prophetisch im Lager.
27Ein junger
Mann lief zu Mose und berichtete ihm: Eldad und Medad sind im Lager zu Propheten
geworden.
28Da ergriff
Jósua, der Sohn Nuns, der von Jugend an der Diener des Mose gewesen war, das
Wort und sagte: Mose, mein Herr, hindere sie daran!
29Doch Mose
sagte zu ihm: Willst du dich für mich ereifern? Wenn nur das ganze Volk
des Herrn zu Propheten würde, wenn nur der Herr seinen Geist auf sie alle legte!
Evangelium
Wer nicht gegen uns ist, der
ist für uns.
Wenn dir deine Hand Ärgernis
gibt, dann hau sie ab!
+
Aus dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
38sagte
Johannes, einer der Zwölf, zu Jesus: Meister, wir haben gesehen, wie jemand in
deinem Namen Dämonen austrieb; und wir versuchten, ihn daran zu hindern, weil er
uns nicht nachfolgt.
39Jesus
erwiderte: Hindert ihn nicht! Keiner, der in meinem Namen eine Machttat
vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden.
40Denn
wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.
41Wer
euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört –
Amen, ich sage euch: Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.
42Wer
einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es
besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.
43Wenn
dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab; es ist besser für dich,
verstümmelt in das Leben zu gelangen, als mit zwei Händen in die Hölle zu
kommen, in das nie erlöschende Feuer.
45Und
wenn dir dein Fuß Ärgernis gibt, dann hau ihn ab; es ist besser für dich, lahm
in das Leben zu gelangen, als mit zwei Füßen in die Hölle geworfen zu werden.
47Und
wenn dir dein Auge Ärgernis gibt, dann reiß es aus; es ist besser für dich,
einäugig in das Reich Gottes zu kommen, als mit zwei Augen in die Hölle geworfen
zu werden,
48wo
ihr Wurm nicht stirbt und das Feuer nicht erlischt.
Hoch interessant und sehr
spannend finde ich, was die erste Lesung und das Evangelium uns heute
berichten:
-
Wer darf den Geist Gottes
empfangen und das Volk Israel leiten? Auch die, die gar nicht zum
Offenbarungszelt gekommen sind, wie es eigentlich sein sollte? Ist das denn
in Ordnung?
-
Wer darf im Namen Jesu Dämonen
austreiben, gegen lebensfeindliche Mächte angehen? Auch jemand, der gar
nicht zum Kreis der Jünger gehört? Das geht doch nicht, oder?
Fangen wir mal mit dem
Evangelium an. Da sehen die Jünger einen, der im Namen Jesu Dämonen
austreibt. Dieser Mann gehört jedoch nicht zu ihnen. Und da wollen die Jünger
diesem fremden Wundertäter das Handwerk legen, ihn an seinem Tun hindern.
Schließlich sind ja sie die Jünger. Sie sind in der Gefolgschaft von Jesus,
jener aber nicht. – Alles, was Recht ist! Da könnte ja jeder kommen und im Namen
Jesu handeln.
Dafür hat man doch die Ämter in
den Gemeinden: Den Bischof, den Priester, den Diakon… Wo kämen wir denn hin,
wenn jeder macht, was er will?
Sie merken, liebe Schwestern und
Brüder, das Evangelium und diese Lesung sind äußerst brisant und ganz aktuell:
-
Wer hat das Charisma dazu,
eine Gemeinde zu leiten? Etwa auch Pastoral- und Gemeindereferenten, die das
von Amts wegen gar nicht dürfen?
-
Wer ist würdig, die Kommunion
zu empfangen? Etwa auch wiederverheiratete Geschiedene, die das Kirchenrecht
klipp und klar davon ausschließt?
-
Wer darf die Priesterweihe
empfange? Etwa nur Männer, die den Zölibat versprechen? Oder grundsätzlich
nur Männer? Oder vielleicht nicht doch auch Frauen, die sich von Gott dazu
berufen fühlen?
Nicht wahr, die Lesung und
das Evangelium machen unruhig. Sie fragen unsere Maßstäbe und unsere Kriterien
an.
Ist es nicht menschlich, so zu
reagieren wie Josua in der Lesung es tut oder die Jünger im Evangelium? Braucht
es nicht bestimmte Regeln für unser Leben innerhalb wie außerhalb der Kirche?
Muss nicht alles seine Ordnung haben? Ist sonst der Beliebigkeit und dem Chaos
nicht Tor und Tür geöffnet?
Das Interessante und Spannende
ist aber nun, dass Jesus das ganz anders sieht als die Seinen. Er zeigt sich
großzügig. Warum wollt ihr denn diesen Mann hindern, in meinem Namen Gutes zu
tun? Lasst ihn doch! „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“
Auf gut Deutsch: Zieht den
Kreis doch nicht so klein! Seid nicht eifersüchtig! Meint nicht, ihr hättet das
„Copyright“ auf meinen Namen! Seht das doch nicht so eng! Seid weitherzig!
Liebe Schwestern und Brüder!
Wieviel Weite kommt da zum
Ausdruck! Ein Jesus, der anscheinend überhaupt keine Angst hat, dass etwas aus
dem Ruder laufen könnte, wo die Zwölf nicht das Sagen haben, sondern dessen
Auftrag es ist, niemanden daran zu hindern, in seinem Namen Gutes zu tun – egal
wer es ist und wo er ist.
Ähnlich in der Lesung. Da
kommt der Geist Gottes auf Menschen herab, die gar nicht beim Zelt Gottes sind,
nicht „in der Kirche“ sozusagen. Nein, er kommt auch auf die herab, die
außerhalb des Zeltes sind, sozusagen außerhalb „der Kirche“.
Und wie reagiert Mose, der
das von Josua als Beschwerde zu hören bekommt und der doch für Israel der Garant
der Ordnung und des Gesetzes ist? Er schimpft Josua nicht aus. Er sagt aber –
sicher überraschend für Josua: „Käme der Geist doch auf alle herab!“ –
Übersetzt könnte das heißen: Würden doch alle für sich entdecken, was Gott ihnen
zutraut und wozu er sie befähigt. Würden doch alle die Heilstaten vollbringen,
die sie tun können dank der Geistesgaben, die sie von Gott empfangen haben.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die alttestamentliche Lesung und
das Evangelium korrespondieren gewöhnlich. Das heißt sie sind aufeinander
bezogen und abgestimmt. Das wurde nach dem Konzil so gemacht. Und mir scheint,
diejenigen, die das gemacht haben, die haben sich etwas dabei gedacht. Und am
heutigen Sonntag ist ihnen die Zuordnung besonders gut gelungen.
Sowohl Lesung als auch
Evangelium zeigen etwas von der Weite Gottes. Es wird deutlich: Gott lässt
sich nicht einsperren von Ordnungen und Gesetzen, die von Menschen erdacht sind.
Sondern Gott wirkt überall sein Heil – und zwar so, wie ER es will – und nicht
wie Menschen meinen, dass er es zu tun hätte!
Liebe Mitchristen!
Zwei Schrifttexte, die uns sagen
und zeigen: Gottes Heil kennt keine Grenzen. Gott lässt sich nicht vorschreiben,
wo er zu sein hat und wie er zu sein hat. Selbst außerhalb der Kirche gibt es
Heil. Denn Gott ist immer größer und lebendiger als wir es uns oft vorstellen.
Darum hindert Gott nicht daran,
wenn er uns heute heißt, neue Gedanken zu denken, andere als gestern! Hindert
Gott nicht daran, wenn er uns weist, alte Pfade zu verlassen und neue Wege zu
gehen, Wege, die etwas haben von der Weite und Großzügigkeit Gottes! Hindert
Gott nicht daran, wenn er auch in der Kirche heute, neue Wege aufzeigt, Wege,
die über bisher Gewohntes und Vertrautes hinausgehen, Wege, die über Gebote und
Traditionen hinausgehen, die man bis gestern noch als die einzig mögliche
Ordnung und Wahrheit vor Augen gestellt hat!
Liebe Mitchristen!
Sagen Sie es selbst: Wer sind wir,
dass wir Gott hindern dürften, sein Heil zu wirken – überall – und mit viel mehr
Möglichkeiten als wir uns das bisher gedacht haben? Ach, käme sein Geist doch
auf alle herab! – Sperrt ihn nicht ein, den Geist Gottes! Grenzt ihn nicht ein!
Löscht ihn nicht aus! „Verwaltet“ ihn nicht nur! Lasst ihn wehen und wirken, wo
Er will und wie Er will! Und lasst euch von IHM anstecken, ergreifen und
durchdringen! Lasst euch von IHM bestimmen und leiten!
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