Exerzitien mit P. Pius

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Glaube und Vertrauen

27. Sonntag im Lesejahr C; Lk 17, 5 - 10

 

Evangelium

Wenn ihr doch Glauben hättet wie ein Senfkorn!

+ Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas

In jener Zeit

5baten die Apostel den Herrn: Stärke unseren Glauben!

6Der Herr erwiderte: Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn, würdet ihr zu diesem Maulbeerbaum sagen: Entwurzle dich und verpflanz dich ins Meer! und er würde euch gehorchen.

7Wenn einer von euch einen Knecht hat, der pflügt oder das Vieh hütet, wird er etwa zu ihm, wenn er vom Feld kommt, sagen: Komm gleich her und begib dich zu Tisch?

8Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Mach mir etwas zu essen, gürte dich und bediene mich, bis ich gegessen und getrunken habe; danach kannst auch du essen und trinken.

9Bedankt er sich etwa bei dem Knecht, weil er getan hat, was ihm befohlen wurde?

10So soll es auch bei euch sein: Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen wurde, sollt ihr sagen: Wir sind unnütze Knechte; wir haben nur unsere Schuldigkeit getan.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Erinnern Sie sich noch? Am Anfang unseres heutigen Evangeliumsabschnittes haben die Apostel Jesus gebeten: „Stärke unseren Glauben!“ – Nun, die Apostel waren sicher nicht ungläubig. Sie waren allesamt gläubige Juden. – Und doch hat Jesus sie in verschiedenen Situationen wiederholt gefragt, z. B. nach der Stillung des Seesturmes: „Habt ihr noch keinen Glauben?“ Oder: „Wo ist euer Glaube?“ Oder: „Glaubt ihr denn immer noch nicht?“

 

Auch wir beten am Anfang vom Rosenkranz: „Jesus, der in uns den Glauben vermehre?“ – Ist das eine sinnvolle Bitte? Kann man den Glauben „vermehren“ wie eine Geldsumme oder einen Energievorrat?

 

Ein Bild kann uns helfen, über diese Frage nachzudenken.

Das Bild zeigt ein Kind, das auf einer Mauer steht und gerade dabei ist, in die offenen Arme seines Vaters zu springen. Ein gesundes Kind, das eine gute Beziehung zu seinen Eltern hat, wird bei diesem Spiel kaum Angst haben. Im Gegenteil: Es macht ihm Spaß. Es kann gar nicht genug bekommen und wird den Sprung gern und mit Vergnügen, so oft wie möglich, wiederholen. Es weiß: Mir kann nichts passieren. Die Arme meines Vaters sind groß und stark. Er hält mich. Ihm kann ich mich anvertrauen. – Über die „Größe“ dieses Vertrauens macht sich das Kind keine Gedanken. Es fühlt sich einfach mit dem Vater verbunden und in seiner Macht und Liebe geborgen.

 

Zurück zu Jesus und den Aposteln. Jesus geht auf die Bitte der Apostel, ihren Glauben zu vermehren, nicht ein. Indirekt bestätigt er jedoch, dass der Glaube der Apostel „klein“ ist. Er gleicht – so sagt Jesus – einem „Senfkorn“, und das ist eines der kleinsten Samenkörner überhaupt. Doch erstaunlich: Jesus schreibt diesem Glauben wunderbare Wirkungen zu. „Ihr könnt mit diesem Glauben“, sagt er den Aposteln, „einen Maulbeerbaum, der als besonders fest und tief verwurzelt gilt, ins Meer pflanzen und ihn gegen seine Natur dort weiterwachsen lassen.“

 

Ein groteskes Bild, das selbstverständlich nicht wörtlich genommen werden will, dass uns aber gerade deshalb fesselt und zum Nachdenken bringt. Echter Glaube ist stark, auch wenn er – vom Menschen hergesehen – so winzig ist wie ein Senfkorn. Und zwar ist er deswegen stark, weil er nicht nur eine irdisch-menschliche Angelegenheit ist, sondern in den Bereich Gottes vorstößt.

„Wenn ihr Glauben hättet wie ein Senfkorn…“

Keine Drohung, sondern Ermutigung! Und ungemein tröstlich! Mein/unser Glaube, wenn auch nur so groß wie ein Senfkorn, reicht aus, ist genug. Gott kann damit etwas anfangen. Der „kleine Finger“ meines Glaubens – Gott hingehalten – mehr braucht‘s nicht und Gott kann viel daraus machen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Glaubend verbindet sich der Mensch mit Gott. Er macht es wie das Kind auf unserem Bild. Er schaut nicht primär auf seine „Kleinheit“, sondern auf die Größe und Güte Gottes. Er lässt sich nicht entmutigen von der Einsicht, dass dies oder jenes „bei Menschen unmöglich ist“, sondern vertraut der Stimme seines Herzens, die ihm sagt, „dass bei Gott alles möglich ist“ (vgl. Mt 19, 26).

Deshalb ist der Gläubige ein Optimist, der immer wieder etwas zu tun wagt, das einem Sprung ins Ungewisse gleicht. Dabei ist er ebenso sicher wie das Kind auf unserem Bild, dass er nicht ins Leere fällt, sondern von der Vorsehung Gottes aufgefangen wird.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Der wahrhaft Gläubige wartet also nicht, bis sein Glaube für ein Leben nach dem Evangelium „groß genug“ ist, sondern beginnt – wie es Jesus es heute im Evangelium empfiehlt – mit einem kleinen Glauben zu leben und zu handeln, in der Zuversicht, dass Gott ihm zur rechten Zeit schenken wird, was er aus eigener Kraft nicht schaffen kann.

 

In einer jüdischen Anekdoten-Sammlung gibt es zu unserem Bild und zum Thema „Glauben und Vertrauen“ eine makabre Geschichte. – Ein jüdischer Handwerker, der es in seiner Jugend und auch später im Leben schwer gehabt hat, bringt eines Tages seinen kleinen Sohn in eine ähnliche Situation, wie sie unser Bild zeigt, und fordert ihn auf: Spring in meine Arme! Als der Junge losspringt, zieht der Vater die Arme zurück und lässt das Kind auf den Boden fallen, wo es sich verletzt und in Tränen ausbricht. – Als ihn die Umstehenden wegen seiner Herzlosigkeit zur Rede stellen, antwortet der Vater: „Das gehört zur Erziehung. Der Junge muss lernen, dass man im Leben niemand trauen darf, mag er noch so nah mit einem verwandt sein und sich noch so freundlich gebärden.“

 

Nicht wahr, eine schlimme Lebenseinstellung! Sie mag auf dem Hintergrund vieler Enttäuschungen, die dieser Mann erlebt hat, verständlich sein. Trotzdem ist sie in ihrem Pessimismus, der alles vergiftet, lebensfeindlich – und gottesfeindlich. Man kann mit ihr weder leben noch sterben.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Bitten wir Gott, dass er uns einen wenigstens senfkorn-großen Glauben schenke, damit wir in den Abgründen, die uns gelegentlich bedrohen, nicht nur die bodenlose Schwärze sehen, sondern auch die Umrisse seiner gütigen Hände.

 

Und möge er uns eine Erfahrung machen lassen, die Rainer Maria Rilke einmal in einem Herbstgedicht so beschrieben hat:

„Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“

 

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