Exerzitien mit P. Pius

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Maria: Morgenröte des Heils (Gen 3, 9 -15.20)

Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (8.12.)

Erste Lesung

 

Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und dem Nachkommen der Frau

 

Lesung

aus dem Buch Génesis

 

Nachdem der Mensch vom Baum gegessen hatte,

9rief Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du?

10Er antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.

11Darauf fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?

12Der Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.

13Gott, der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete: Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen.

14Da sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.

15Und Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst ihn an der Ferse.

20Der Mensch gab seiner Frau den Namen Eva, Leben, denn sie wurde die Mutter aller Lebendigen.

 

 

Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer, Schwestern und Brüder!

In der ersten Lesung aus dem Buch Genesis haben wir eine ganz bekannte und uns allen sehr vertraute Erzählung gehört, die Geschichte vom Sündenfall. – Es ist eine Erzählung, die Antwort zu geben versucht auf die Frage, woher das Böse kommt, das Leid, die Mühsal, die Not und der Tod.

Ist das alles ein Konstruktionsfehler des Schöpfers?

Die Bibel sagt klipp und klar: Nein!

 

Die Zerrissenheit der Welt, alle Gebrochenheit des Menschen kommt nicht von Gott. Am Anfang war alles gut. Das Leben war paradiesisch.

 

Doch was macht der Mensch? Er wendet sich ab von Gott. Er entscheidet sich in seiner Freiheit gegen Gott. Verblendet und verführt entscheidet er sich für das verlockende Sein-wie-Gott.

 

Das ist die Ursünde. Durch sie kommt alle Zerrissenheit, alle Störung und alle Unordnung. Auf den Ungehorsam gegenüber Gott folgt die Lüge, der Brudermord, Hass und Gewalt. Das Böse nistete sich ein in der Welt. Der Teufelskreis aus Sünde und Tod beginnt und zieht sich durch die Jahrhunderte. Und kein Mensch ist davor gefeit. Niemand kann ihm entrinnen. Diesen Unheilszusammenhang nennen wir Erbsünde.

 

Wie kann der Mensch die Freundschaft mit Gott, die er im Ungehorsam verlor, wieder erlangen? Wie kann die Zerrissenheit der Schöpfung, die der Mensch verursacht hat, wieder hergestellt werden? Wie kann das Zerbrochene wieder heil und ganz werden?

 

Die Bibel sagt uns: Das Heil ist viel mehr Geschenk als von uns zu machen und zu leisten. Es ist viel mehr Gnade als Verdienst. Der Mensch kann seine Gebrochenheit nicht selbst heilen. Er kann und muss mitwirken, ja. Aber die Rettung kommt von Gott.

 

In einem Psalm heißt es: „Gottes Gedanken gehen von Geschlecht zu Geschlecht, ihr Leben dem Tod zu entreißen und sie zu nähren in ihrem Hunger.“ – Gott sinnt Gedanken der Rettung, nicht des Verderbens.

 

Wie ein Freudensignal klingt der Satz durch die Erzählung vom Sündenfall: „Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er wird dir den Kopf zertreten.“

 

Dieser Satz, liebe Schwestern und Brüder, ist „UREVANGELIUM“. Er ist wirklich „Frohe Botschaft“, ein Wort der Hoffnung. Er weist hin auf künftiges Heil.

 

Frohe Botschaft, weil Gott selbst aus der unheilvollen Situation einen Weg zeigt, weil mitten im Strafspruch über unsere Stammeltern das göttliche Erbarmen durchscheint, ein Morgenrot der Hoffnung.

Ein Lichtschimmer dringt herein in das Dunkel der Sünde. Die Situation ist nicht ausweglos. Sie ist nicht total verfahren. Es gibt Rettung. Der Verlust des Paradieses ist bei Gott kein irreparabler Totalschaden. Der Sieg des Bösen ist nicht endgültig.

 

Die erste Frohbotschaft der hl. Schrift weist hin auf den kommenden Erlöser. Einer wird kommen und den Kopf der Schlange treffen. – Das Wort der Hoffnung in der Sündenfallgeschichte verheißt einen Sieger, gleichsam einen zweiten Adam, der das Heil bringt für alle.

 

Wir Christen glauben: Jesus ist der von Gott gesandte Retter. Er ist der Heilsbringer. Er hat durch seinen Tod am Kreuz die ursprüngliche Freundschaft zwischen Gott und Mensch wieder hergestellt und so „der Schlange den Kopf zertreten“. Er hat als Lamm Gottes die Schuld der Welt getragen, alle Sünde auf sich und hinweggenommen.

 

Jahrtausende wartete die Menschheit auf diesen Erlöser.

Durch das ganze Alte Testament klingt immer wieder die Verheißung auf:

Einer wird kommen, der stärker ist als die Schlange; einer, der die Macht besitzt, die Menschheit aus der Umklammerung der Sünde zu befreien.

 

Immer heller durchstrahlt den dunklen Advent des Alten Testaments die Hoffnung auf Rettung. Immer deutlicher wächst aus der Nacht die Lichtgestalt empor, die Gott als Morgenröte, als Stern der Hoffnung über das verschlossene Tor des Paradieses setzte:

„Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären…“

Gott holt die Menschen aus dem Kreislauf des Bösen.

 

In Maria hat er damit begonnen. Maria war keine Stunde und keine Sekunde in Schuld verstrickt. Gott hat sie im Hinblick auf seinen Sohn auf einzigartige Weise ausgezeichnet, beschenkt, begnadet. Er hat sie von Anfang an vor jeder Sünde bewahrt.

Maria: das reinste und wenn man will „gelungenste“ Geschöpf, die Immaculata, die neue Eva.

 

Der Immanuel, der „Gott mit uns“ wird geboren von ihr, die nicht wie Eva den Tod, sondern das Leben gebiert, die nicht Unheilsträgerin ist, sondern Heilsträgerin, nicht Mutter der Schuldbeladenen, sondern Mutter des Erlösers und Ersterlöste von allen Erlösten.

 

Unheil brachte das frevlerische Nein unserer Stammeltern gegenüber Gott. Heil brachte das Ja der Gottesmutter.

Unheil brachte der Ungehorsam gegenüber Gottes Ordnung. Heil brachte der Gehorsam und Demutssinn Mariens, ihre radikale Orientierung am Willen Gottes: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“.

 

Nicht die Strafe ist das letzte Wort im Sündenfall, sondern die Verheißung. – Das ist die erste Frohe Botschaft, die Ur-kunde aller Verkündigung: Gottes Liebe und sein Erbarmen triumphiert über alle Sünde. Seine Gnade ist größer als alle Schuld.

 

Mit dem Jawort der Jungfrau von Nazareth setzte Gott einen neuen Anfang. Es ist wie ein neuer Morgen: hell und klar, voll Verheißung und ohne Bedrohung, voll Licht und ohne Dunkel.

 

Maria ist die Morgenröte des Heils. Sie ist nicht selbst das Heil. Aber sie hat den Heiland geboren. „Heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren, Christus der Herr.“

 

Für uns ist Maria ein Zeichen des Trostes und der Hoffnung:

In ihr dürfen wir den Menschen erkennen, wie Gott ihn sich gedacht hat, völlig unverdorben, vollkommen schön, vollständig durchsichtig für Gott. Maria: die immaculata conceptio Gottes.

 

Erlösung ist seitdem nicht mehr nur Verheißung. Sie hat schon begonnen. Sie ist allerdings noch nicht zu Ende.

Die Fleischwerdung des Heiles Gottes geht weiter.

 

Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

Maria ehren, heute ihr Fest feiern, heißt: nicht nur Maria loben und preisen und Gott danken für ihre Erwählung. Zum Lob des Mundes muss das Lob des Lebens kommen!

 

Heute ihr Fest feiern, heute Maria ehren heißt: versuchen, wie Maria zu leben, sie nachzuahmen in ihrer Gesinnung und Haltung, offen zu werden – wie sie – für die Pläne und Absichten Gottes,

ja sagen zu dem, was Gott von mir will, was er mit uns vorhat.

 

Maria ehren, heute ihr Fest feiern, heißt: treu der eigenen Berufung entsprechend leben, leben im Vertrauen auf Gott und seine Führung.

 

Heute ihr Fest feiern, heute Maria ehren heißt: bestrebt sein – wie sie – Instrument Gottes zu sein, Diener, Dienerin des Allerhöchsten, Werkzeug des Friedens, Zeuge der Wahrheit, Bote und Botin seiner Liebe.

 

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