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		Papst Franziskus hat uns 
		eingeladen, das Jahr 2016 als heiliges Jahr, als Jahr der göttlichen 
		Barmherzigkeit zu begehen.  
		Gottes barmherzige Liebe 
		soll uns wieder neu bewusst werden und unser Leben prägen.  
		  
		In verschiedenen Gebeten 
		und Liedern rufen wir Maria an als „Mutter der Barmherzigkeit“. 
		So z.B. im Salve Regina, das mit den Worten beginnt: „Sei gegrüßt, o 
		Königin, Mutter der Barmherzigkeit“. Dort bitten wir auch, Maria 
		möge ihrer „barmherzigen Augen“ uns zuwenden. 
		In einem alten 
		volkstümlichen Gebet heißt es: „Du wirst mir auch helfen, o 
		Barmherzigste.“ Drei Beispiele von vielen. 
		  
		Ich erinnere mich an ein 
		spätmittelalterliches Schutzmantelbild in einer kleinen Wallfahrtskirche 
		in Südtirol. Dort ist Maria dargestellt mit einem Schutzmantel, unter 
		den sich notleidende und sorgenbeladene Menschen geflüchtet haben. So 
		weit, so gut. Doch das Besondere an dieser Darstellung war, dass an dem 
		Schutzmantel Mariens die Pfeile abprallten, die der zornige und 
		strafende Gott-Vater aus einer Wolke auf die Erde abschoss.  
		  
		Repräsentiert Maria die 
		Barmherzigkeit, Gott-Vater aber die strafende Gerechtigkeit? Was für ein 
		Gottesbild wird hier vermittelt. Gegen eine solche Deutung habe ich 
		nicht nur starke Bedenken, dagegen sträubt sich alles in mir.  
		Gott ist gerecht und 
		barmherzig. Er hat seine Barmherzigkeit nicht an Maria, die „Mutter 
		der Barmherzigkeit“ delegiert und abgegeben. Gottes Wesen selbst ist 
		barmherzige Liebe. Gott hat nicht nur Liebe. Er ist Liebe. Seine Liebe 
		und Barmherzigkeit ist unermesslich und unerschöpflich. 
		 
		  
		So kann Paulus an die 
		Gemeinde in Korinth schreiben: „Gepriesen sei 
		der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Erbarmens 
		und der Gott allen Trostes.“ 
		  
		Und im ersten 
		Johannesbrief heißt es: „Klagt uns unser Herz auch an, Gott ist 
		größer“ – seine Liebe ist größer – „und er 
		weiß alles.“   
		  
		Gottes Barmherzigkeit ist 
		größer als alle Schuld. Bei ihm gibt es immer einen Weg zurück. Bei ihm 
		ist die Tür immer offen.  
		Nirgendwo wird das 
		schöner, eindrücklicher und treffender veranschaulicht als im Gleichnis 
		vom barmherzigen Vater.  
		  
		Doch sollte diese 
		Bereitschaft, Erbarmen zu haben nicht auf Gott beschränkt bleiben. Das 
		macht Jesus im Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht (Mt 18, 23 - 35) 
		deutlich. „Hättest nicht auch du Erbarmen haben müssen, wie ich mit 
		dir Erbarmen hatte“, lautet dort die entscheidende Frage. 
		  
		Als hartherzig, gnadenlos 
		und unbarmherzig bezeichnet zu werden, ist eine der entehrendsten 
		Qualifikationen eines Menschen und seines Tuns.  
		„Hab Erbarmen!“ 
		ist der Flehruf all derer, die an das Herz eines Mächtigen oder eines 
		Gläubigers appellieren.  
		Diejenigen aber, von 
		denen man am ehesten die Erhörung dieser Bitte erwartet, sind bei allen 
		Völkern und zu allen Zeiten die Mütter.  
		  
		Kein Wunder also, dass 
		Barmherzigkeit, Herzlichkeit und Erbarmen auch ein besonderes Attribut 
		und Kennzeichen der Mutter des Erlösers ist.  
		Kein Wunder auch, dass 
		die bedrängten und bedrückten Christgläubigen in Vergangenheit und 
		Gegenwart immer wieder die Barmherzigkeit Mariens gepriesen und sie 
		wegen dieser Tugend hoffnungs- und vertrauensvoll angerufen haben, 
		sowohl für sich selbst als auch für andere.  
		  
		Papst Franziskus ist in 
		seinem Ankündigungsschreiben des Heiligen Jahres vom 11. April 2015 auch 
		auf die Rolle Marias im Heilsgeschehen der Barmherzigkeit eingegangen. 
		Da heißt es: „Kein anderer hat so wie Maria die Tiefe des 
		Geheimnisses der Menschwerdung Gottes kennengelernt. Ihr ganzes Leben 
		war geprägt von der Gegenwart der fleischgewordenen Barmherzigkeit.“ 
		Und weiter: „Die Mutter des Gekreuzigten und 
		Auferstandenen ist eingetreten in das Heiligtum der göttlichen 
		Barmherzigkeit. Sie hatte zutiefst Anteil am Geheimnis seiner göttlichen 
		Liebe.“   
		  
		Maria stand unter dem 
		Kreuz. Gemeinsam mit Johannes, dem Junger, den ER liebte, war sie Zeugin 
		der Worte an den reumütigen Schächer: „Heute noch wirst du mit mir im 
		Paradies sein.“ Sie war Zeugin auch der anderen Worte, mit denen 
		Jesus seinen Vater um Vergebung bat für seine Henker, für die Spötter, 
		für seine Feinde. Gerade dieses Gebet Jesu am Kreuz für seine Feinde 
		zeigt uns, wie weit die Barmherzigkeit Gottes geht.  
		  
		Maria bezeugt, dass die 
		Barmherzigkeit des Sohnes Gottes grenzenlos ist, dass sie alle erreichen 
		möchte und niemanden ausschließt.  
		  
		Möge Maria, die Mutter 
		der Barmherzigkeit, die Zuflucht der Sünder, die Trösterin der Betrübten 
		nicht müde werden, auch uns ihre barmherzigen Augen zuzuwenden.  
		Möge sie uns helfen in 
		Jesus Christus, ihrem Sohn, in dem uns die Güte und 
		Menschenfreundlichkeit Gottes erschienen ist, die göttliche 
		Barmherzigkeit zu betrachten.  
		Möge sie uns helfen, 
		unser Herz nach seinem Herzen zu bilden. Denn: 
		„Selig sind die Barmherzigen! Sie werden Erbarmen finden.“   |