Exerzitien mit P. Pius

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Die Leute aßen und wurden satt

Samstag der 5. Woche im Jahreskreis - Lesejahr C;

Predigt in der Wallfahrtsmesse; Mk 8, 1 - 10

 

EVANGELIUM

Die Leute aßen und wurden satt

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

1In jenen Tagen waren wieder einmal viele Menschen um Jesus versammelt. Da sie nichts zu essen hatten, rief er die Jünger zu sich und sagte:

2Ich habe Mitleid mit diesen Menschen; sie sind schon drei Tage bei mir und haben nichts mehr zu essen.

3Wenn ich sie hungrig nach Hause schicke, werden sie unterwegs zusammenbrechen; denn einige von ihnen sind von weither gekommen.

4Seine Jünger antworteten ihm: Woher soll man in dieser unbewohnten Gegend Brot bekommen, um sie alle satt zu machen?

5Er fragte sie: Wie viele Brote habt ihr? Sie antworteten: Sieben.

6Da forderte er die Leute auf, sich auf den Boden zu setzen. Dann nahm er die sieben Brote, sprach das Dankgebet, brach die Brote und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen; und die Jünger teilten sie an die Leute aus.

7Sie hatten auch noch ein paar Fische bei sich. Jesus segnete sie und ließ auch sie austeilen.

8Die Leute aßen und wurden satt. Dann sammelte man die übrig gebliebenen Brotstücke ein, sieben Körbe voll.

9Es waren etwa viertausend Menschen beisammen. Danach schickte er sie nach Hause.

10Gleich darauf stieg er mit seinen Jüngern ins Boot und fuhr in das Gebiet von Dalmanuta.

 

 

 

Liebe Schwestern und Brüder,

liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

 

Was wir soeben im Evangelium gehört haben, war schon der zweite Bericht von einer Brotvermehrung im Markusevangelium.

Das erste Speisungswunder geschah am Westufer des Sees Genesaret, in einem Gebiet, wo mehrheitlich Juden wohnten. Das heute berichtete Wunder spielte sich am Ostufer ab, wo überwiegend Heiden ihr Zuhause hatten.

 

Im ersten Wunder (Mk 6, 34 - 44) handelt Jesus aus Mitleid. Denn die Menschen kommen ihm vor wie Schafe, die keinen Hirten haben. Schafe ohne Hirten, das bedeutet: sich selbst überlassen, unbehütet, schutzlos, orientierungslos.

 

Beim heutigen Wunder der Brotvermehrung handelt Jesus aus Sorge, seine Zuhörer könnten unterwegs vor Hunger erliegen und das heißt: aus Schwäche zusammenbrechen.

 

Beide Male hat Jesus die Situation seiner Zuhörer im Blick.

Er fühlt sich in sie ein. Und dieses Sich-in-die-Menschen-Ein-fühlen erweckt in ihm Mitleid bzw. Fürsorge. Beide Male hat er Verständnis für die Nöte der Menschen und tut alles, um sie zu beheben.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Jünger fragen im heutigen Evangelium: „Woher soll man in dieser unbewohnten Gegend Brot bekommen?“

Eine verständliche Frage in einer wüstenähnlichen Gegend. Aber die Frage beinhaltet mehr. Sie weist über sich hinaus. Sie hat grundsätzlichen Charakter. Woher sollen wir unser Leben, unsere Hoffnung, unser Glück nehmen? Was gibt unserem Leben Tiefe und Weite? Was gibt ihm Sinn und Ziel? – Jesus sagt selbst einmal – an einer anderen Stelle: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“

 

Sie kennen wahrscheinlich die Geschichte von Rainer Maria Rilke und der Bettlerin. Rilke sagte zu seiner Begleiterin: Eigentlich müsste man ihrem Herzen schenken, nicht nur der Hand. Ein paar Tage darauf legte er der Bettlerin eine Rose in die Hand. Diese stand auf, küsste seine Hand und verschwand. Als seine Begleiterin Rilke nach etwa einer Woche fragte, wovon die Bettlerin all die Tage gelebt habe, da sie nicht an ihrem Platz saß und bettelte, da antwortete der Dichter: „Von der Rose.“

 

Ja, der Mensch lebt nicht nur vom Bankkonto und vom Kühlschrank. Er braucht mehr als Thermalbad und Fitnesscenter.

Wir alle bedürfen der Zuwendung des anderen, Verständnis, Freundschaft, Vertrauen, Angenommensein.

Von Martin Buber stammt das Wort: „Jeder Mensch sehnt sich nach dem Ja des Sein-Dürfens.“ Das stimmt. Wir können es in der Begegnung mit anderen jeden Tag erleben.

 

Doch, liebe Schwestern und Brüder, die Brotvermehrung hat noch eine andere Dimension: Sie ist ein Hinweis auf die Eucharistie, in der Jesus sich selbst uns gibt.

Das wird ganz deutlich, wenn es im Evangelium heißt, dass Jesus die Brote nimmt, das Dankgebet spricht, die Brote bricht und sie den Jüngern zu Austeilen gibt. Das sind genau die Worte, die Jesus auch beim letzten Abendmahl spricht und die bei jeder Eucharistiefeier erneut gesprochen werden.

Und sehen Sie: Dieses Dankgebet – wie es im Judentum üblich war – ist der Höhepunkt des Speisungswunder. Denn im Danken drückt sich die Einsicht aus, dass alles, was wir haben, von Gott kommt und Geschenk aus seiner Hand ist, ob Nahrung oder Gesundheit oder sonst Notwendiges und das Leben überhaupt.

Das Danken lenkt den Blick auf Gott, den Geber aller Gaben und den Ursprung von allem Guten. Eucharistie heiß Danksagung.

 

In der Erzählung von der Brotvermehrung heißt es gegen Ende: „Dann sammelte man die übrig gebliebenen Brotstücke ein, sieben Körbe voll.“ Von nur sieben Broten bleiben bei viertausend Menschen noch sieben Körbe übrig. – Die Siebenzahl ist nicht zufällig. Sie deutet göttliche Fülle an. So ist Gott: Er ist generös, unwahrscheinlich großzügig und hochherzig. Sein Schenken ist immer ein Schenken im Überfluss.

Das sehen wir auch bei der Hochzeit zu Kana: Sechs steinerne Wasserkrüge, je 100 Liter, 600 Liter insgesamt. – „Haben die Gäste damals den Wein ganz allein getrunken“, wurde einmal ein Kirchenvater gefragt. Er antwortete: „Nein, wir trinken noch heute davon.“ – Das gilt auch für die Brotvermehrung und für die große Menge an Brot, die übrigbleibt: „Wir essen noch heute davon.“ Christus ist das Brot des Lebens, das Brot, das lebt und Leben spendet. In ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit. – Einmal sagt Jesus von sich und seiner Sendung: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10, 10). Und im Johannesprolog heißt es: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen Gnade über Gnade.“

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ein bedenkenswerter Aspekt bei der Brotvermehrung ist noch, dass Jesus den Jüngern die Brotstücke, nachdem er das Dankgebet darüber gesprochen hat, zum Austeilen gibt.

Er macht nicht alles selbst. Er delegiert. Er bezieht die Seinen mit ein. Er nimmt sie in Dienst. Die Jünger sollen mithelfen, das Leben an die Menschen zu verteilen. – Gott will Menschen durch Menschen nähren, aber mit einer Gabe, die von ihm kommt.

 

Liebe Mitchristen!

Das Teilen des Lebens und das Teilen des zum Leben Notwendigen war ein Kennzeichen des Lebens Jesu und soll es auch sein für alle, die ihm nachfolgen, für alle, die seinen Namen tragen. Neben der Verkündigung des Glaubens und der Liturgie war schon in der frühen Kirche die Diakonie ein Wesensmerkmal der christlichen Gemeinden.

 

Ohne Diakonie, ohne Caritas, ohne tätige, praktische Nächstenliebe hängt sowohl die Verkündigung des Glaubens als auch die Liturgie in der Luft. Sie entfalten ihre Wirkung, sie schlagen sich nieder und werden glaubwürdig im konkreten Miteinander und Füreinander im Alltag der Gemeinde, z. B. im Umsetzen, im Tun der geistigen und leiblichen Werke der Barmherzigkeit.

 

Immer und für alle Christen gilt das Wort, das Jesus am Ende des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter sagt: „Geh hin und tu des Gleichen!“ Das heißt: Übe Liebe! Sei barmherzig! Sei hilfsbereit! Sei gütig und geduldig! Sei nicht nachtragend! Sei bereit zu verzeihen!

In der Bergpredigt sagt Jesus: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist.“ (Lk 6, 36)

Und Paulus im Brief an die Römer: „Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat – zur Ehre Gottes.“ (15, 7)

 

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