Exerzitien mit P. Pius

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Prophetische Kritik – brandaktuell

Vortrag zur 1. Lesung am 25. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C, Amos 8, 4 – 7

 

 

Erste Lesung

Hört dieses Wort, die ihr sagt: „Wir wollen für Geld die Geringen kaufen“

Lesung

aus dem Buch Amos

4Hört dieses Wort, die ihr die Armen verfolgt und die Gebeugten im Land unterdrückt!

5Ihr sagt: Wann ist das Neumondfest vorbei, dass wir Getreide verkaufen, und der Sabbat, dass wir den Kornspeicher öffnen können? Wir wollen das Hohlmaß kleiner und das Silbergewicht größer machen, wir fälschen die Waage zum Betrug,

6um für Geld die Geringen zu kaufen und den Armen wegen eines Paars Sandalen. Sogar den Abfall des Getreides machen wir zu Geld.

7Beim Stolz Jakobs hat der Herr geschworen: Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen.

 

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Die Bibel ist zwar ein altes Buch, doch stehen ganz aufregende und hochaktuelle Sachen darin. – Ein Beispiel dafür ist die Lesung aus dem Buch Amos, die wir heute gehört haben.

 

Der Prophet Amos lebte vor ca. 2800 Jahren. Von Beruf war er Bauer. Er hatte eine Rinderherde und eine Feigenplantage. Er züchtete Maulbeerfeigenbäume. – Doch eines Tages fängt er an, die Machenschaften der Oberschicht zu durchschauen. Und er protestiert dagegen mit unglaublicher Schärfe und Heftigkeit. Prophetische Kritik – im Namen Gottes!

 

Keine leichte Aufgabe: Amos muss sehr frommen Menschen sagen, dass ihre Frömmigkeit vor Gott nichts wert ist, weil sie – trotz ihrer Frömmigkeit – die Gerechtigkeit mit Füssen treten.

 

Amos beobachtet z. B. auf dem Markt, wie die Händler Gewichte fälschen, Maße und Waagen manipulieren und den Leuten Schund verkaufen für gutes Geld – Vorläufer der Weinpanscher und Lebensmittefälscher.

Er beobachtet, wie die Reichen ihre Monopolstellung schamlos ausnutzen und die kleinen Leute immer mehr in Abhängigkeit und Armut geraten.

Am Sabbat und an Feiertagen, da sitzen diese skrupellosen Geschäftemacher wie auf heißen Kohlen. Sie können das Ende kaum erwarten. Der Rubel muss rollen. Feiertage sind lästig. Sie bedeuten Gewinnausfall. Time is money. Allein der wirtschaftliche Gewinn zählt. Ihre Gier nach immer mehr, ihre nimmersatte, zügellose Habsucht, macht auch dort nicht halt, wo andere dadurch Schaden erleiden. Keine Spur von Solidarität und Menschlichkeit!

 

Und die Leidtragenden sind die Armen, die Schwachen, all jene, die darauf angewiesen sind, dass sie überhaupt einen Lohn bekommen – und die man deshalb für „ein paar Sandalen“ kaufen kann – also mit einem Hungerlohn.

 

Gipfelpunkt der prophetischen Kritik: Sie schrecken nicht davor zurück, die hilflosen Opfer ihrer Machenschaften in die Schuldensklaverei zu treiben und sie zur Handelsware zu degradieren. Und wer einmal abhängig ist, erniedrigt und unterdrückt, der kommt aus eigenen Kräften kaum mehr aus diesem Zustand heraus.

 

Amos spürt genau: Wo sich alles nur noch um Geld und Profit dreht, wo Gewinnmaximierung alles ist, wo man den Menschen nur noch unter dem Gesichtspunkt sieht: wie kann ich mir seine Arbeitskraft zunutze machen, wie kann ich ihn über den Tisch ziehen, wie kriege ich sein Geld in meine Tasche, da geht alle Menschlichkeit baden. – Wo man Feiertage und religiöse Feste nur noch als Verdienstausfall sieht, ist das Bewusstsein verloren gegangen, dass es wichtigere Dinge gibt als Geld.

 

Dabei lebt Amos in einer Zeit wirtschaftlicher Blüte. Die Geschäfte gehen gut, die Bilanzen stimmen. – Aber: es geht nicht allen gut.

Egoismus und Gier spalten die Gesellschaft. Wohlstand und Luxus auf der einen Seite, Ausbeutung und Erniedrigung auf der anderen Seite. – Die einen werden immer reicher, die anderen immer ärmer. Und das bringt Amos in Rage. Darum seine aufreizende Sprache. Darum greift er die Unmoral der Neureichen so massiv an.

 

Es ist klar: Solch deutliche Worte hört niemand gern, damals wie heute. Das Establishment ist aufgebracht. Helle Empörung!

Was passiert? Der unbequeme Prophet wird vom Priester des Heiligtums in Bet-El beim König verpfiffen. Amos erhält Redeverbot. Und wird des Landes verwiesen.

 

Liebe Mitchristen!

Ich habe gesagt: die Themen, die Amos anprangert, sind brandaktuell. Ja, das gibt es auch heute noch: Wucher, Korruption, Betrug, Kredithaie, Preistreiber, Spekulanten, Wirtschaftskriminalität, weltweite Ungerechtigkeit.

 

Drei Beispiele:

Erstens: „Schutz des Sonntags“, Schutz des Tages, der eigentlich Gott gehören soll. Ein Tag, an dem niemand Geschäfte machen soll, sondern an dem die Arbeit ruhen möge. Zeit für sich, Zeit für die Familie, Zeit für Erholung, Zeit für Gott.

 

Zweitens: Die Ausbeutung der Armen und Kleinen. Die Ausbeutung jener, die für „Hungerlöhne“ arbeiten müssen, weil sie sonst gar nichts haben. Und die „Hungerlöhne“ sind so niedrig, weil wir das so haben wollen. Denn wir kaufen halt lieber die Billig-Produkte. Und die „fair-gehandelten“ Produkte bleiben stehen. Zu teuer! Aber diejenigen, die sie hergestellt haben, hätten einen fairen Lohn bekommen. „Geiz ist Geil“, so sagen wir. Und auch die Reichen sagen sie müssen sparen. – Und deshalb funktioniert es: die Armen bleiben arm und werden noch ärmer – und die Reichen verdienen, – weil wir dabei mitmachen.

 

Drittens: Alle 5 Sekunden verhungert ein Kind unter zehn Jahren. 37.000 Menschen verhungern jeden Tag und fast eine Milliarde sind permanent unterernährt. Dabei könnte, so der World Food Report, die Weltlandwirtschaft problemlos das Doppelte der Weltbevölkerung ernähren. Und es gelingt uns Bomben und Raketen in die entferntesten Winkel der Erde zu bringen, während dort Medikamente, Brot und Reis fehlen. Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich weggeworfen – Wenn man es recht sieht, muss man feststellen: Eigentlich gibt es keinen objektiven Mangel. Es gibt keine Schicksalhaftigkeit für das tägliche Massaker des Hungers. Was es gibt, ist der Egoismus der Reichen, Leben auf Kosten der Armen, mangelnde Solidarität.

Die Armut der Armen ist zum Großteil gemachte Armut. Und kein Kind müsste, wenn es gerecht zuginge auf der Welt und wenn wir nicht nur Almosen geben würden, sondern wirklich teilen, kein Kind müsste verhungern und sterben. – Wir alle sind zur Besinnung und zur Umkehr aufgerufen. Wir alle müssen unseren Lebensstil umstellen, und zwar nicht nur ein bisschen! Wenn wir nämlich immer nur in den anderen diejenigen sehen, die auf Kosten anderer leben, dann ändert sich nichts.

 

Liebe Schwestern und Brüder! Da, wo die Geschäftemacher zur Zeit des Amos noch das Ende der Feiertage herbeisehnten, damit die Geschäfte wieder laufen, da sind wir heute längst einen Schritt weiter: Wir haben die verkaufsoffenen Sonntage. Wir haben Maschinen, die rund um die Uhr laufen müssen – und die Menschen mit ihnen – damit sie genügend Profit abwerfen. Und wir haben eine Freizeitindustrie, die keinen Feierabend kennt. Das ist bei uns längst gang und gäbe.

Und das führt dazu, dass Menschen aus einer Familie zu so unterschiedlichen Zeiten arbeiten müssen oder all die Dinge machen müssen, die die Freizeitindustrie ihnen nahelegt, dass kaum noch ein gemeinsames Familienleben möglich ist – geschweige denn ein gemeinsames religiöses Leben. Die Zeit, die für Gott, für die Familie und für die Gesundheit des Menschen geheiligt war, die wird zur „Geschäftszeit“, in der andere verdienen – und zwar an uns, weil wir dabei mitmachen. Denn wenn wir da nicht hingingen, nicht sonntags und nicht nach 18 Uhr, dann wäre da schon längst geschlossen. Aber weil wir gehen, läuft es so.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich weiß das ist kein schöner Vortrag. Das ist nicht „erbaulich“, geschweige denn „fromm“. Und sicher haben wir das Gefühl, wir müssten uns irgendwie rechtfertigen: Was kann ich da schon machen? Ich bin doch kein Ausbeuter! „Wir müssen ja auch sparen.“ „Wir wollen ja auch unseren Spaß haben“ – und, und, und …

 

Aber für Gott ist das ein wichtiges Thema – auch am Sonntag. Weil es um den Menschen geht, um den Menschen, der IHM am Herzen liegt: Der Arme! Der, der ungerecht behandelt wird. Und dem es deshalb schlecht geht, weil die anderen den armen Lazarus vor der Tür nicht sehen, sondern nur sich selbst. – Für Gott ist dieses Thema so wichtig, dass er dazu diesen Amos zu den „Guten und Frommen“ schickt, um sie aufzurütteln, um sie darauf aufmerksam zu machen, wie ichsüchtig, verlogen und gottvergessen sie leben.

 

Amos jedenfalls ist davon überzeugt, dass das, was da vor sich geht in der Gesellschaft, wie man die kleinen Leute schamlos ausnutzt und betrügt, wie die Würde der Armen mit Füssen getreten wird, dass all diese Ungerechtigkeit und Willkür zum Himmel schreit und dem Willen Gottes ganz und gar nicht entspricht, ja ihm diametral entgegengesetzt ist.

 

Im letzten Vers der heutigen Lesung wird eindrücklich geschildert, wie Israel den Zorn Gottes auf sich gezogen hat. Die Lesung endet nämlich mit dem Versprechen Jahwes: „Keine ihrer Taten werde ich jemals vergessen!“ – Ein hartes Urteil!

 

Weil Amos an Gott glaubt, weil er das ganze Leben von Gott her sieht, darum nimmt er kein Blatt vor den Mund, darum nimmt er in solcher Schärfe Stellung. Und er kündet, dass all diese Dinge nicht ungestraft bleiben. Gott, der Herr, macht sich zum Anwalt der Hilflose, der Schwachen und Armen. Der Herr wird die „Herren“ zur Rechenschaft ziehen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Das Buch Amos gehört zu den heiligen Schriften des Judentums und des Christentums. Es ist Wort Gottes an die Menschen damals, aber auch heute an uns. Es schmiegt sich jedoch nicht kuschelig unserem Leben an. Es stellt auch Fragen und es stellt in Frage. Es fordert heraus und ruft zur Umkehr. Es ruft uns heraus aus alten Gleisen, aus unserem Trott, aus Gewohnheit und Gleichgültigkeit. Aber es ist immer heilsam und befreiend, auch wenn es einmal unbequem ist, uns stört, provoziert, aufschreckt und aufweckt.

Mit den Worten des Amos (an anderer Stelle): „Sucht das Gute, nicht das Böse! Dann werdet ihr leben und dann wird, wie ihr sagt, der HERR, der Gott der Heerscharen, bei euch sein.“ (Amos 5, 15)

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